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Max Brand (1892–1944), war ein US-amerikanischer Schriftsteller und gilt als einer der wichtigsten und bekanntesten Western-Autoren des 20. Jahrhunderts. Joe Warder muss den berüchtigten Banditen „El Tigre” auffinden und verhaften. Der unerfahrene Dennis MacMore ist auf der Suche nach seinem älteren Bruder – der, wie sich bald herausstellt, mit „El Tigre” unter einer Decke steckt. MacMore und Warder reisen zusammen von der texanischen Grenze aus nach Mexiko. Sie geraten unversehens in ein ebenso gefährliches wie spannendes Abenteuer.
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Max Brand
Der Schrecken vom Rio Grande
Warschau 2018
Inhalt
Während der letzten Unterredung, die ich mit dem Chef vor meiner Abreise in der »Tiger«-Angelegenheit hatte, hab' ich den Kleinen zum erstenmal gesehen.
Der Chef hatte mir mächtig zugesetzt – so unbarmherzig, daß mir einfach nichts anderes übrigblieb, als zum Fenster hinauszustarren, und dabei sah ich den Kleinen mitten in der schönsten Keilerei.
Doch erst will ich vom Chef erzählen – man soll ja immer mit dem Wichtigsten beginnen, und das ist nun einmal mein Chef.
Er hatte den Rock ausgezogen und die Hemdärmel bis zu den Ellbogen über den behaarten Unterarmen aufgekrempelt, in den Falten seiner klobigen Stirne standen Schweißtropfen. So schwitzte er selbst im kältesten Winter, wenn er aufgeregt war, und nicht aufgeregt hab' ich ihn nur zweimal im Leben gesehen – das war die beiden Male, als er sagte: »Joe Warder, du hast deine Sache gut gemacht!«. Die übrigen Tage von den fünf Jahren, die ich mit ihm bis jetzt zu tun gehabt, hat er immer geschwitzt, geflucht, getobt und mich durch riesige blaugraue Tabakswolken hindurch, mit denen er sich einnebelte, angebrüllt. Heute war seine Stimmung so bedenklich, daß seine Zigarre unter dem Druck seiner feuchten Finger einen Knick bekam.
»Auf der mexikanischen Seite der Grenze habe ich weder Einfluß, noch Machtbefugnisse«, erklärte ich ihm, »denn dort sind mein Amt und mein Abzeichen des Kommissars doch ohne jeden Wert.«
»Natürlich ist das so«, erwiderte er.
»Warum soll ich dann also erst hingehen?«
»Weil ich dir sage, daß du es sollst!« entgegnete der Distriktskommissar.
Dabei stieß er mit der Faust in den Zigarrenqualm – gewissermaßen wollte er ein Loch schaffen, durch das er mich besser mustern konnte, aber ich hielt seinen Blicken stand und fragte nur:
»Was werden aber Ihre hohen Vorgesetzten in Washington von der Geschichte denken?«
»Die werden gar nichts denken, sondern mich einfach rausschmeißen«, erwiderte der Kommissar.
Diese offenherzige Antwort stimmte mich etwas zugänglicher – er aber wurde immer wütender und wütender und fuhr fort:
»Dauernd lümmelst du bequem im Sattel, drehst dir Zigaretten und verteilst abgebrannte Zündhölzer geschmackvoll über die Gegend, und während du und dein Gaul mit offenen Augen schlaft, kommt dieser Schrecken des ganzen Landes, der ›Tiger‹, schon seit drei Jahren über die Grenze, sooft ihm der Sinn danach steht! Hast du denn gar keinen Stolz im Leibe, daß du dir das so ruhig mit ansehen kannst?«
Ich schluckte auch das noch hinunter – wenn der Chef schwitzte, mußte man mancherlei schlucken. »Jetzt scherst du dich aber gefälligst über die Grenze«, brüllte er weiter, »suchst, bis du den ›Tiger‹ findest, und kommst mir nicht ohne den Kerl wieder – verstanden?«
Ich hob den Kopf und gab ehrlich zu, daß ich Angst hätte, dorthin zu gehen.
»Ich bin schon öfters da gewesen«, sagte ich, »man kennt mich dort, wird mir also auflauern und mich gar nicht so weit kommen lassen, daß ich mich mit ›Tiger‹ messen kann.«
Der Distriktskommissar ließ sich grunzend in seinen Sessel zurückfallen und erkundigte sich höhnisch:
»Was verlangst du eigentlich vom Leben, Warder? Ein Häuschen, Weib und Kind, stille, friedliche Beschaulichkeit – was?«
»Nun ja – warum denn nicht?« erwiderte ich keck.
»Sieh dich doch im Spiegel an, du Schafskopf!« schrie der Chef mit erhobener Stimme und schnob dabei wie ein Walroß.
Ich faßte unwillkürlich nach meinem gebrochenen Nasenbein – einen Spiegel hatte ich wahrhaftig nicht nötig.
»Wie alt bist du denn?« wetterte der Gestrenge weiter.
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