Ein gerissener Kerl. Roman - Edgar Wallace - ebook

Ein gerissener Kerl. Roman ebook

Edgar Wallace

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Opis

Lord Frensham ist Toten. Inspektor Elk und Tony Braid finden Lord tot in seinem Büro. Er lag mit dem Oberkörper auf dem Schreibtisch. Seine rechte Hand umklammerte den Revolver,und neben dem Toten fand man einen Abschiedsbrief. Offensichtlich Selbstmord, aber Elk ist nicht überzeugt. Inspektor Elk muss seine Ermittlungen aufnehmen. Und am Ende siegt, wider Erwarten, die Ehrlichkeit, die niemand hier wirklich erwartet.

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Edgar Wallace

Ein gerissener Kerl

Roman

Übertragen von Alfred Schirokauer

Warschau 2017

Inhalt

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Es fing mit einer kleinen Meinungsverschiedenheit zwischen einem Trainer, einem Jockey und einem Buchmacher von zweifelhaftem Ruf an. Der Streit ging um die Stute Ectis, die Favoritin für den Königlichen Jagdpokal. Gegen Jockey und Trainer bestand bereits ein gewisser Argwohn; sie mußten also darauf achten, sich nicht allzusehr zu kompromittieren.

Die Frage war, ob man die Stute vor dem Ziel »bremsen« sollte oder ihr, wie es der Jockey vorschlug, vor dem Rennen eine kleine Dosis Laudanum verabreichen und damit von vornherein jedes Risiko ausschalten sollte. In beiden Fällen mußte man mit Unannehmlichkeiten rechnen. Denn wurde die Stute im Rennen zurückgehalten, fiel der Verdacht auf den Jockey. Hatten dagegen die Schiedsrichter den Argwohn, daß das Tier »verarztet« worden war, würden sie eine Untersuchung verlangen, deren Resultat unweigerlich dazu führen mußte, den Trainer für immer vom Rennplatz zu verweisen.

Schließlich siegte der Trainer. Ectis sollte vor dem Ziel aufgefangen werden. Der Buchmacher, der für beide Teile die Wetten legte, machte, wie verabredet, das Pferd schlecht. Vom Favoriten wurde es zweiter Favorit, vom zweiten Favoriten dritter und stieg dann hinab zur Klasse der 100:6.

»Mir unbegreiflich«, sagte der Trainer einen Tag vor dem Rennen zu dem Besitzer. »Das Pferd war niemals besser, Mr. Braid.«

Mr. Braid sog nachdenklich an einer langen Zigarre, seine dunklen Augen fixierten den verwitterten kleinen Trainer. Er war auf der Rennbahn zwar ein Neuling, wenigstens in England, aber angesehen, sehr reich und durchaus seriös. Rennfreunde besaß er nicht. Angesehene Leute vom Rennplatz betrachteten neugierig die schlanke Gestalt mit dem dunklen, ergrauenden Haar und dem langen, blassen Gesicht und drückten nicht aus Mitleid ein leichtes Bedauern darüber aus, daß eine so gewinnwinkende Chance in die Hände des Trainers Lingford und seines gewissenlosen Partners, des Jockeys Joe Brille, gefallen war.

Anthony Braid hatte ein reizendes kleines Haus in Ascot, wo er während der Rennwoche wohnte, und war mit seiner Einsamkeit zufrieden. Man sah ihn auf dem Sattelplatz umherstehen, eine lange Zigarre zwischen den Zähnen, und ins Leere starren. Er wettete selten, und dann nur sehr bescheiden, und ließ sich nie über die Mutmaßungen seines Trainers in Debatten ein, noch stellte er Fragen an seinen Jockey. Anscheinend langweilte ihn alles.

»Möglich«, murrte er, als der Trainer eine Pause machte, »möglich, daß die Buchmacher einen anderen Favoriten haben.«

»Stimmt, Sir, sie halten ›Denford Boy‹ für unbesiegbar.«

Mr. Lingford bedauerte im stillen, daß er »Ectis« nicht zum Sieg reiten lassen durfte. Er hätte ein Vermögen damit verdienen können. Doch er schuldete dem Buchmacher, der das Pferd stillegte, eine Menge Geld und wagte keinesfalls, seinem Gläubiger entgegenzuhandeln.

Eine Stunde ehe der Königliche Jagdpokal gelaufen wurde, nahm Anthony Braid seinen Trainer beiseite. »Mein Pferd hat sich im Preis etwas erholt«, sagte er. Lingford war diese Tatsache nicht entgangen. »Ja, Sir – jemand hat im ganzen Land hohe Wetten auf die Stute abgeschlossen.«

Ihm war ein bißchen unbehaglich zumute; denn am Morgen hatte sein Buchmacher ihm vorgeworfen, daß er nach zwei Seiten arbeite.

»Ja«, sagte Tony Braid mit seiner tiefen, wohllautenden Stimme. »Ich habe im ganzen Land Wetten abgeschlossen. Ich beabsichtige, heute dreißigtausend Pfund zu gewinnen.«

»Wirklich, Sir?« Der Trainer atmete erleichtert auf. Er hatte vermutet, die Wetten stammten von einem Bundesgenossen Brilles, und befürchtete schon, daß der Jockey ihn betrüge. »Nun, Sie werden ein schönes Rennen für Ihr Geld haben. Brille sagt – «

»Was Brille sagt, interessiert mich nicht«, erwiderte der Besitzer sehr sanft, »er reitet die Stute nicht. — Ich habe mir einen Jockey aus Frankreich kommen lassen. Und, Mr. Lingford, ich habe auch meinen Trainer gewechselt. Vor einer halben Stunde habe ich höchst eigenhändig das Pferd Mr. Sanford übergeben. Und wenn Sie dem Tier noch einmal nahe kommen, melde ich Sie der Rennleitung. Darf ich Ihnen einen Rat geben?« Dem verdutzten Trainer blieb die Antwort in der Kehle stecken.

»Zwei Tips«, fuhr Anthony Braid fort, »erstens: Gehen Sie in den Ring und setzen Sie so viel auf ›Ectis‹, daß Sie den Rest Ihres Lebens davon zehren können. Denn ich glaube nicht, daß Sie je wieder ein Pferd trainieren werden. Zweitens: Versuchen Sie nie wieder, einen Mann zu beschwindeln, der sich an der Börse in Johannesburg die Sporen verdient hat. Guten Morgen!«

Ectis gewann mit drei Längen, und Mr. Anthony Braid hatte einen neuen Spitznamen. Er, der bisher ›die gute Gelegenheit‹ und ›die Chance‹ geheißen hatte, wurde jetzt bekannt als ›der gerissene Kerl‹. Der Name blieb ihm. Er wurde ihm eines Tages in seinem Büro entgegengeschleudert, als er Aaron Trosky von der Trosky-AG. mit weit über fünfzigtausend Pfund hineinlegte. Allerdings hatte Mr. Trosky in der Unschuld seines Herzens zuvor versucht, Anthony Braid mit einer größeren Summe in einem Minengeschäft hineinzulegen. Aber daran dachte er jetzt nicht.

»Sie sind ein gerissener Kerl«, jammerte der bebende Aaron, »so nennt man Sie, und das stimmt auch!«

»Machen Sie die Tür von draußen zu«, forderte Anthony ihn höflich auf.

Unbelehrt durch Troskys Erfahrung, brachte ein gewisser Felix Fenervy dem ›gerissenen Kerl‹ ein Platinprojekt. — Er hätte es lassen sollen. Anthony prüfte die Pläne, überflog den verschleierten Bericht des Experten — kein Laufbursche hätte sich davon täuschen lassen – und lud Mr. Fenervy zum Frühstück ein. Auch Anthony hatte ein Platinprojekt — einen Landstreifen in Nord-Rhodesien. Warum sollte man nicht, schlug der sanfte Tony vor, die beiden Besitzungen unter der Firma ›Vereinigter Platintrust‹ zusammenwerfen und gemeinsam den Nutzen aus den beiden Ländereien ziehen? Fenervy war begeistert. Am nächsten Tag zahlte er seinem ›Opfer‹ dreiundzwanzigtausend Pfund Einlage und hatte noch immer den Eindruck, daß er ein glänzendes und gewinnbringendes Geschäft mache.

So war Anthony Braid, dessen Vermögen keiner außer seinem Bankier kannte, bis zu jenem Morgen, an dem er einen Mann besuchte, der ihm die Tür wies; ein Mann zwar, der ihn gern hatte, aber in seiner Gegenwart seine Nerven verlor. Ob Tony Braid Lord Frensham mochte oder nicht, ist Nebensache. Seine Zuneigung galt so ausschließlich einem anderen Mitglied der Familie, daß Lord Frenshams Argwohn und Mr. Julian Reefs Haß ihn gar nicht berührten.

»Mr. Anthony Braid, Mylord«, meldete der Diener. Lord Frensham rückte seinen tiefen Schreibtischsessel zurück, fuhr mit der Hand ungeduldig durch sein dichtes graues Haar und zog ärgerlich die Stirn in Falten.

»Hm«, knurrte er, blickte den Diener an und befahl dann mit einer ungeduldigen Geste: »Lassen Sie ihn eintreten, Charles!«

Ein breitschultriger, ohne Sorgfalt gekleideter, unrasierter Mann mit scharfen Zügen, großen Händen, rauher Stimme, kurz angebunden: das war der achte Earl von Frensham. Ein ehrlicher, aber dickköpfiger Mann, der in der City ein für immer verlorenes Familienvermögen wiederzugewinnen suchte, aber dessen schlichte, liebenswerte Eigenschaften sich in einem dauernden Kampf mit seiner rücksichtslosen Umwelt zermürbten.

Als Charles hinausgegangen war, öffnete er eine Schublade des Schreibtisches und entnahm ihr eine Mappe voller Dokumente, öffnete sie und betrachtete Bogen für Bogen. Doch seine Gedanken waren nicht bei den Geschäften des Lulanga-Öl-Syndikats. Er überlegte die endgültige und vernichtende Antwort auf den Vorschlag, der ihm in wenigen Augenblicken gemacht werden würde. »Mr. Anthony Braid, Mylord.«

Der Mann, der dem Diener in die Bibliothek folgte, war der Typ des vollendeten Gentleman. Vom weißen Kragen bis zu den Spitzen der glänzenden Schuhe war er das Meisterwerk eines hervorragenden Schneiders und umsichtigen Kammerdieners. Sein schmaler Wuchs ließ ihn sehr groß erscheinen. Sein schwarzes Jackett saß tadellos. An der grauen Weste schimmerten Onyxknöpfe. Als einzigen Schmuck trug er eine Perle an der modernen Krawatte und eine dünne Platinuhrkette. Die weißen Hände, in denen er Handschuhe und den spiegelnden Zylinder hielt, schmückten keine Ringe. Mr. Anthony Braid war vierzig Jahre alt und hielt sich kerzengerade. Sein Haar war fast schwarz und betonte die Blässe seines langen, angenehmen Gesichts. Die Augen waren dunkel und unerforschlich. Er blieb stehen, hielt den Blick fest auf den Herrn des Hauses gerichtet, und beide schwiegen, bis sie allein waren.

»Nun«, rief Frensham ungeduldig, »setzen Sie sich, setzen Sie sich doch, Braid, oder haben Sie Angst, sich zu setzen?«

Braid legte Hut, Handschuhe und Stock mit bedächtiger Sorgfalt auf einen kleinen Tisch und setzte sich.

»Ein herrlicher Morgen«, begann er mit seiner tiefen, weichen Stimme und einem entwaffnenden Lächeln. »Wie geht es Ihnen, Frensham – und Lady Ursula?«

Lord Frensham war nicht in der Stimmung, sich über das Wetter oder seine Tochter zu unterhalten.

»Ich habe Ihren Brief erhalten«, erwiderte er grob, »und offen gesagt, halte ich ihn für eine — eine —«

»Unverschämtheit«, fiel Braid mit geheimnisvollem Lächeln in den Augen helfend ein.

»Sehr richtig«, stimmte Frensham heftig zu, »wenn nicht Schlimmeres. Was Sie mir da mitteilen, ist im Grunde nichts anderes, als daß Julian Reef, der nicht nur mein Neffe, sondern auch mein Mitdirektor ist, den Kurs der Lulanga-Öl-Aktien hinuntertreibt, d. h., daß er sich bemüht, mich zu ruinieren. Ich muß Ihnen schon sagen, Braid, ich war nicht wenig erstaunt, daß Sie eine so unerhörte Anschuldigung schriftlich niederlegen. Natürlich werde ich Reef Ihren Brief nicht zeigen, sonst —«

Braids dunkle Augen flammten auf. »Warum wollen Sie ihm den Brief nicht zeigen?« fragte er sanft. »Ich habe nicht die geringste Angst vor einer Verleumdungsklage. Ich besitze etwa sechshunderttausend Pfund — vielleicht etwas mehr. Kein Gericht hat jemals solchen Schadenersatz zugesprochen. Ich werde immer noch genug zum Leben übrigbehalten.«

Frensham blickte finster zu ihm auf. »Das mag sein«, sagte er, »aber ich lege keinen Wert darauf, diese Dinge an die große Glocke zu hängen. Ich will ganz offen mit Ihnen reden, Braid. Jemand treibt den Kurs dieser Aktien hinunter. Die Kurse fallen täglich — und dieser Jemand sind Sie! Lassen Sie mich, bitte, ausreden! Sie haben einen gewissen Ruf — einen Spitznamen —«

»Der gerissene Kerl«, lachte Braid, »ich bin stolz darauf. Gauner nennen mich so, weil es ihnen nicht gelingt, mich reinzulegen. Und mein lieber Freund Reef hat sich, weiß Gott, Mühe genug gegeben, mich hineinzulegen!«

»Sie sind Rennstallbesitzer mit einem eigenartigen Ruf —«

Wieder unterbrach ihn der Mann mit den dunklen Augen.

»Sagen Sie doch ›üblen‹, wenn es Ihnen Spaß macht. Es ist zwar nicht ganz wahr, aber es macht die Dinge für Sie leichter, mein lieber Frensham. Also sagen Sie ruhig ›mit einem üblen Ruf‹ oder darf ich Ihnen zur Abwechslung ›einen gefährlichen Ruf‹ vorschlagen?«

Lord Frensham machte eine nervöse Bewegung.

»Vielleicht sind Sie besser als Ihr Ruf, aber Sie haben ihn nun einmal. Sie sind für weit mehr Leute ›der gerissene Kerl‹ als Mr. Tony Braid. Und darum können Sie von mir wirklich nicht erwarten, daß ich Ihnen glaube, mein bester Freund arbeite an meinem Ruin und betrüge mich und die Gesellschaft.«

›Der gerissene Kerl‹ lächelte, entnahm seiner Tasche ein goldenes Zigarettenetui, bat mit einem Blick um Erlaubnis, zündete sich umständlich die Zigarette an und legte das Streichholz sorgsam in eine Aschenschale.

»Leuchtet es Ihnen nicht ein, daß es ziemlich naiv wäre, Ihren Freund zu beschuldigen, wenn ich selbst den Kurs Ihrer Aktien hinuntergetrieben hätte; der gerissene Kerl würde eine so törichte Anklage gegen einen Mann Ihres Vertrauens erheben? Trauen Sie mir doch wenigstens ein bißchen Intelligenz zu und —«

Plötzlich öffnete sich die Tür. Eine Dame und ein Herr traten ein. Beim Anblick des Mädchens erhob sich der elegante Mr. Braid. Die blonde, kraftvolle Schönheit Ursula Frenshams raubte ihm den Atem, sooft er sie sah. Sie kam auf ihn zu und streckte ihm, Überraschung und jähe Freude in den Augen, die Hand entgegen.

»Tony, Sie sind ein schlechter Mensch!« rief sie. »Sie haben sich seit Monaten nicht bei uns sehen lassen.«

Ihres Vaters Mißbilligung konnte sie nicht bemerken, aber sie hätte vielleicht ahnen können, daß der lächelnde junge Mann, der ihr folgte, nicht mehr lächelte.

»Ich bin nicht gekommen, weil man mich nicht eingeladen hat«, erklärte Tony Braid mit dem kleinen, drolligen Lachen, das ihm eigen war. »Keiner liebt mich, Ursula, ich bin verfemt auf der weiten Erde.«

»Reden Sie nicht so närrisches Zeug«, wies ihn Frensham zurecht.

Mr. Reef schüttelte das starre Erstaunen über den unerwarteten Anblick des verhaßten Mannes ab und lächelte wieder. Er lächelte immer, dieser Mann mit dem roten Gesicht, dem dichten, rötlichbraunen Haar und den herrlichen weißen Zähnen. Er sah merkwürdig jung aus, trotz seiner dreißig Jahre, und hatte eine jungenhafte Art, mit verletzender Offenheit Wahrheiten von sich zu geben. Freilich waren es Wahrheiten, die wie Peitschenhiebe saßen, und auch sein freies und fröhliches Lächeln dabei war nur ein gelinder Trost.

»Quatsch, Braid«, sagte er, »Sie tun sich wohl schrecklich leid! Wenn ihr Burschen in den Fünfzigern euer Haar auch noch so verdächtig dunkel und eure Taillen Gott weiß wie schlank bewahrt, die Grämlichkeit platzt euch doch aus allen Nähten. Ich habe Sie zu Gesellschaften eingeladen, alter Junge, aber Sie saßen da wie ein Ölgötze!«

Braid blieb ganz ruhig.

»Ihre Gesellschaften haben mich gelangweilt«, sagte er obenhin, »und wenn ich mich langweile, werde ich nun mal grämlich. Ich habe Ihre Gesellschaften endgültig an meinem neununddreißigsten Geburtstag aufgegeben. Der war voriges Jahr. Und, offen gesagt, Ihre Freundinnen gefallen mir nicht. Da ziehe ich Ballettmädchen vor. Die tun wenigstens nicht, als ob sie was Besseres wären.«

Julian Reef lachte zwar, aber nicht besonders herzlich.

»Faucht euch nicht an«, schalt Ursula vorwurfsvoll.

»Väterchen, lade Tony doch zum Lunch ein, und Tony, benehmen Sie sich anständig!«

Lord Frensham fühlte sich offenbar sehr unbehaglich.

»Ich kann Braid nicht zum Lunch einladen, weil ich in meinem Klub esse«, wich er aus. »Und jetzt, meine liebe Ursula —«

Er hielt inne.

»Ach so, ihr habt Geschäfte! Nur noch eins: Väterchen, du bist wieder nicht rasiert!« Sie nickte Tony zu und ging aus dem Zimmer.

Mr. Julian Reef blickte von einem zum andern.

»Ich störe wohl?« fragte er ahnungsvoll.

Tony Braid antwortete: »Nein. Es betrifft Sie. Zeigen Sie ihm den Brief, Frensham, den ich Ihnen geschrieben habe.«

»Ich denke nicht daran«, wehrte Frensham ab. »Ich habe Ihnen schon gesagt —«

»Daß Sie keinen Skandal wünschen«, ergänzte Tony Braid ruhig. »Und ich versichere Ihnen: es wird keinen Skandal geben.«

Er ging langsam zum Schreibtisch und tippte mit dem Zeigefinger auf die blankpolierte Platte, jedes Wort unterstreichend.

»Bis vor sechs Monaten waren Sie und ich die besten Freunde. Ich bilde mir ein, ich habe Ihnen in manchem geholfen, auch verstehe ich von Börsengeschäften mehr als Sie. Ich sage das weder, um mich wichtig zu machen, noch als Vorwurf. Sie haben mir Ihr Haus geöffnet und mir gestattet, mich Ursula zu nähern. Und dann schicken Sie mir plötzlich einen Brief, verbitten sich meine Besuche und verbieten mir, Ihrer Tochter Aufmerksamkeiten zu erweisen. Heute morgen haben Sie plötzlich entdeckt, daß City-Gauner und Rennbahnabenteurer mich einen gerissenen Kerl‹ nennen — eine Tatsache, die Sie seit Jahren kennen! Sie werfen mir vor, daß ich den Kurs Ihrer Aktien hinuntertreibe, indem ich Lulangas hinter Ihrem Rücken verkaufe. Ich begegnete dieser Beschuldigung mit dem kategorischen Hinweis, daß der Mann, der Lulanga-Öl-Aktien verkauft und Sie an den Rand des Verderbens gebracht hat, Ihr Neffe, Mr. Julian Reef, ist, der aus irgendeinem Grund — offenbar einem höchst egoistischen — seit drei Wochen laufend Lulangas verkauft.«

Julian Reefs Gesicht war plötzlich wutentstellt. Er packte Braid an der Schulter und schwenkte ihn zu sich herum.

»Sie sind ein verfluchter Lügner!« schnaubte er.

Im nächsten Augenblick lag er auf der Erde. Im Sturz hatte er einen Stuhl mitgerissen.

»Halt, Braid!« Frensham war aufgesprungen und zwischen die beiden Männer getreten.

Braid nahm seinen Hut und strich sorgsam glättend über dessen Rand. Ein kleines Lächeln spielte in den Winkeln seines Mundes.

»Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, Frensham«, sagte er. »Aber noch kein Mann hat mich ungestraft ins Gesicht einen Lügner genannt. Übrigens verwaltet Mr. Reef, soviel ich weiß, gewisse Gelder Ihrer Tochter Ursula. Ich erlaube mir, Ihnen zu raten, durch einen Ihrer Buchhalter dieses Vermögen nachprüfen zu lassen. Selbst gelbe Diamanten kosten allerhand Geld.«

Ohne übertriebene Eile griff er nach Handschuhen und Stock. Reef war inzwischen wieder auf die Füße gekommen, hielt sich den getroffenen Unterkiefer, blickte Braid mit tödlichem Haß an, wagte aber nicht, ihn aufzuhalten.

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