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In seinem amerikanischen Stahlwerk stellt James William Roddington eine Vielzahl 100 Meter lange Rohre mit einem Innendurchmesser von einem Meter her. Er verkauft seine Fabriken an einen übermächtigen Konkurrenten, aber von seiner Stahlproduktion möchte er sich nicht trennen – warum? Man munkelt von Riesenkanonen, die er in Auftrag hat. Roddington jedoch lässt die Rohre mit Schiffen zu einer Stelle des Pazifiks transportieren, an der der Meeresgrund durch ein Seebeben bei sagenhaften 15.000 Meter Tiefe liegt. Mithilfe schwimmender Plattformen und Riesenkräne formt er nun aus diesen Rohren eine gigantische Röhre, die vom Wasserspiegel bis zum Grund des Pazifiks ja sogar noch Hunderte Meter unter diesen reicht. Roddington selbst und seine Mitstreiter fahren nun per in der Röhre eingebautem Aufzug hinab zum Meersgrund.
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Hans Dominik
Das stählerne Geheimnis
Warschau 2018
Inhalt
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
1. Kapitel
Um die sechste Abendstunde wurde die Nachricht in New York bekannt. Gellend schrien die Zeitungsboys die letzte Ausgabe ihrer Blätter mit einer neuen Schlagzeile aus.
»Vertrag zwischen Grand Corporation und Roddington-Konzern unterschrieben. J.W. Roddington bekommt hundert Millionen! Gibt die Geschäfte auf!«
Es war die Zeit des Büroschlusses, zu der die Wolkenkratzer der City sich leeren. Eine vieltausendköpfige Menge füllte die Straßen, und trotz des nichtsnutzigen Februarwetters blieben zahlreiche Passanten stehen, um die noch druckfeuchten Blätter zu kaufen.
»Der Vertrag mit der Grand Corporation perfekt«—das war immerhin eine Sache, um derentwillen man einen Augenblick länger in dem kalten Regen und Schlackerschnee verweilen konnte. In den Straßen- und Untergrundbahnen wurde der Inhalt der Abendblätter von Tausenden besprochen und kommentiert.
Also stimmten die Gerüchte doch, die schon seit Wochen umliefen und die bisher niemand recht glauben wollte. James William Roddington verzichtete wirklich darauf, den großen von seinem Vater begründeten Konzern weiter zu führen. Wie oft hatte die Grand Corporation es früher versucht, den Konzern zu schlucken, und wie übel war jeder dieser Versuche für sie abgelaufen! Mit Krallen und Zähnen hatte Roddington senior sein Lebenswerk verteidigt, bis ein tödlicher Unfall ihn vor Jahresfrist jäh aus seinem Schaffen riß. Mit dreißig Jahren war James William Roddington, sein einziger Sohn, der Erbe der riesigen zu diesem Trust gehörenden Werke geworden. Mit größtem Interesse hatte man in der amerikanischen Hochfinanz damals den Thronwechsel im Hause Roddington verfolgt, erwartungsvoll, wie die zweite Generation sich bewähren würde. Und nun führte der Sohn Verhandlungen mit den alten Gegnern seines Vaters, bereit, jetzt das zu tun, was dieser stets verabscheut hatte.
An der Tatsache ließ sich nicht mehr zweifeln. Übereinstimmend berichteten die Abendzeitungen, daß der Kaufvertrag zwischen den Vertretern der Corporation und Mr. Roger Blake, dem Bevollmächtigten von James William Roddington, am Nachmittag um fünf Uhr dreißig Minuten im Cleveland Building in New York unterzeichnet worden war. Um so mehr beschäftigte die Frage nach dem Warum die öffentliche Meinung.
Wollte Roddington junior etwa mit den Millionen, die ihm durch den Verkauf zuflossen, etwas Neues, ganz Großes unternehmen, von dem die Welt noch nichts ahnte? Plante er irgendwelche Börsentransaktionen, um an anderer Stelle eine Macht zu erringen, größer und gewaltiger noch als die, die er soeben mit seinem Konzern aus der Hand gab?
Oder hatte er doch, wie ein anderes Gerücht wissen wollte, die Absicht, sich mit seinen Millionen so jung noch zur Ruhe zu setzen und das tatenlose Leben eines reichen Müßiggängers zu führen? Daß er jetzt mit seiner Jacht irgendwo in fernen Meeren umherschwamm und den Abschluß des wichtigen Vertrages seinem Bevollmächtigten überließ, konnte vielleicht als eine Bestätigung dafür gelten.
Wie gründlich mochten die Herren der Grand Corporation die günstige Gelegenheit ausgenutzt haben und jetzt über den schwächlichen Erben des alten Roddington lachen! Unbegreiflich erschien seine Handlungsweise den Unzähligen, die sich an diesem Abend damit beschäftigten. Eine Erklärung dafür vermochte niemand zu finden.
* *
*
Die öffentliche Meinung befand sich im Irrtum, wenn sie annahm, daß James William Roddington bei der Transaktion mit der Grand Corporation übervorteilt worden sei. Satz für Satz hatte er selbst den Kaufvertrag so entworfen, wie er ihn haben wollte, und seinen Bevollmächtigten Roger Blake mit einer genau vorgeschriebenen Marschroute an den Verhandlungstisch geschickt. Die Corporation hatte nur zwei Möglichkeiten: entweder den Vertragsentwurf Roddingtons unverändert anzunehmen oder die Verhandlungen scheitern zu lassen.
In den langen Wochen, durch welche die Verhandlungen sich hinzogen, war das den Leitern der Corporation klargeworden, und an jenem Februarnachmittag hatten sie sich endlich entschlossen, ihre Unterschriften neben diejenige von Blake unter den Vertrag zu setzen. Sie bekamen nicht alles, was sie haben wollten, und sie mußten für das, was sie erhielten, hoch und bar bezahlen.
So war die Laune von Mr. Price, dem Präsidenten der Corporation, nicht die allerbeste, als Frank Dickinson auf seine Einladung zu ihm kam. Frank Dickinson, der schon unter dem alten Roddington jahrelang Chefingenieur des Konzerns war und dessen unvergleichliche Tüchtigkeit nicht wenig zum Aufblühen des Konzerns beigetragen hatte. Ihn jetzt für die Corporation zu gewinnen, war der dringende Wunsch von Mr. Price, und deshalb hatte er ihn zu sich gebeten.
»Ich denke, Mr. Dickinson«, eröffnete er die Unterhaltung, »daß Sie bereit sind, Ihre alten Werke auch nach dem Übergang in unsere Gesellschaft weiter zu leiten. Ich wollte mit Ihnen über eine Erneuerung des Vertrages sprechen.«
Frank Dickinson legte ein Schriftstück auf den Tisch.
»Verzeihung, Mr. Price, es wäre nicht nötig, den Vertrag zu erneuern, er würde noch auf zwei Jahre laufen, wenn nicht...«
»Ich weiß, Mr. Dickinson«, fiel ihm der Präsident ins Wort, »Sie wollen sagen, wenn er nicht von Ihrer Seite gekündigt wird. Ich nehme nicht an, daß Sie daran denken. Aber wir möchten in unserer Gesellschaft in jeder Beziehung klare Verhältnisse haben. Ich schlage Ihnen deshalb vor, sofort in beiderseitigem Übereinkommen einen neuen Vertrag für die nächsten fünf Jahre mit uns zu schließen. Einen Entwurf dafür habe ich hier.«
Mit diesen Worten brachte Mr. Price auch seinerseits ein Schriftstück zum Vorschein, das nach Umfang und Inhalt dem vor Dickinson liegenden ziemlich ähnlich war. Er schlug es auf und schickte sich an es zu verlesen, als die Erwiderung des Chefingenieurs dazwischenkam.
»Sie irren sich, Mr. Price, ich habe in der Tat daran gedacht, den alten Vertrag zu kündigen. Mein Brief wurde vor zwei Stunden eingeschrieben an Sie aufgegeben, hier ist der Postschein darüber. Morgen früh spätestens dürfte mein Schreiben in Ihren Händen sein.«
Der Präsident der Corporation schnappte nach Luft, bevor er sich zu der Frage aufraffte: »Warum haben Sie das getan?«
»Ich tat es, als ich erfuhr, daß die Stahlwerke in Trenton im Besitz meines Freundes Roddington bleiben. Im anderen Falle hätte ich gern ein neues Abkommen mit Ihnen getroffen.«
Präsident Price biß sich auf die Lippen. Das war wieder dieselbe verwünschte Sache, um die er so lange und so erbittert mit Roger Blake gekämpft hatte. Alle die andern großen Anlagen des Roddington-Konzerns, die Automobilfabrik in Albany, die Flugzeugwerke in Oswego, die Lokomotivwerkstätten in Milwaukee, hatte die Corporation bekommen, die Stahlwerke in Trenton hatte James William Roddington sich ausdrücklich vorbehalten. Jetzt kam ihm auch der Chefingenieur mit den Trenton-Werken, auf die seine Gesellschaft so ungern verzichtet hatte. Erst nach längerem Überlegen antwortete Price.
»Ich glaube, Mr. Dickinson, es müßte Sie mehr reizen, ein Dutzend der größten Werke bei uns zu leiten, als ein einziges wenig bedeutendes Stahlwerk unter Mr. Roddington. Schon aus materiellen Gründen...«, fuhr er lebhafter fort, »das Trenton-Werk kann unmöglich ein Gehalt tragen, wie wir es Ihnen zu bieten willens sind.«
Ein leichtes Lächeln lief über die Züge Dickinsons, während er antwortete.
»Wir wollen uns über das Portemonnaie Roddingtons nicht den Kopf zerbrechen, Mr. Price. Ich habe Ihrer Einladung zu dieser Besprechung nur Folge geleistet, um nicht unhöflich zu erscheinen. Mein Entschluß steht unverrückbar fest. Ich bleibe bei Roddington und übernehme die Führung seiner Stahlwerke in Trenton. In der Stahlfabrikation werden wir Ihnen Konkurrenz machen, Mr. Price, aber deshalb brauchen wir noch nicht Feinde zu werden.«
Er erhob sich und streckte Price die Rechte hin. Auch der stand auf.
»Ist das Ihr letztes Wort, Dickinson?«
»Mein letztes, Mr. Price. Leben Sie wohl.«—
Price blieb allein in seinem Zimmer zurück. Verdrossen zerrte er an seinem buschigen grauen Schnurrbart und starrte mißmutig auf den Vertragsentwurf, der nun zwecklos geworden war.
»Genau so stur wie Blake ist der Mensch«, knurrte er vor sich hin, als es klopfte. Direktor Curtis trat ein, und er kam Price gerade recht, um sich seinen Ärger von der Leber zu reden.
»Hören Sie, Curtis, Dickinson will nicht zu uns kommen. Er hat seinen Vertrag gekündigt, geht nach Trenton.«
Curtis sah den Präsidenten verdutzt an.
»Verstehe ich recht, Mr. Price? Dickinson nimmt unseren Vertrag nicht an? Glänzendere Bedingungen kann ihm niemand in den Staaten bieten.«
Price schob den Vertragsentwurf brüsk beiseite.
»Er hat sie nicht einmal angehört, Curtis. Gleich zu Beginn unserer Unterredung sagte er mir klipp und klar, daß er mit Roddington zusammenbleibt.«
»Hm!« Curtis fuhr sich nachdenklich über die Stirn. »Dahinter muß etwas Besonderes stecken.«
»Richtig, Mr. Curtis!« knurrte Price. »Aber was dahintersteckt, müssen wir schleunigst herausbekommen. Setzen Sie unsere besten Leute an diese Aufgabe. Wenn Roddington den Kampf mit der Corporation will, soll er ihn schneller haben, als ihm vielleicht lieb ist.«
Direktor Curtis war eigentlich gekommen, um ein paar Verwaltungsfragen mit Price zu besprechen, doch bei der augenblicklichen Stimmung des Präsidenten zog er es vor, die Sache auf ein andermal zu verschieben.
»Ich werde Palmer mit der Angelegenheit beauftragen«, sagte er und verabschiedete sich.
* *
*
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