Der Schut - Karl May - ebook

Der Schut ebook

Karl May

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Opis

Die Verfolgten sind an ihrem Ziel angekommen. Durch seine Unvorsichtigkeit wird Halef gefangen genommen, kann aber von Kara Ben Nemsi befreit werden. Kara Ben Nemsi gelingt es am Anfang der Handlung Halef zu befreien – jetzt aber sollen sie in die angebliche ’Juwelenhöhle’ in der Teufelsschlucht gelockt werden. Nach Abenteuern in der Teufelsschlucht und bei der Juwelenhöhle treffen Kara Ben Nemsi und seine Begleiter auf das Oberhaupt der Verbrecher, den sogenannten „Schut”. Manche gefährliche Situation wird heraufbeschworen, ehe die Jagd, die in der tunesischen Wüste begann und während der viele Abenteuer überstanden werden mussten, endlich in Albanien zu Ende geht.

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Karl May

Der Schut

Warschau 2018

Inhalt

1. Halef in Gefahr.

2. Eine Bärenjagd.

3. In der Teufelsschlucht.

4. In der Juwelenhöhle.

5. Ein Ueberfall.

6. Unter der Erde.

7. An der Verräter-Spalte.

1. Halef in Gefahr.

[Frontispiz: Roß und Reiter stürzten in die Tiefe. (Zum 7. Kapitel.)] Unser Ritt neigte sich jetzt voraussichtlich seinem Ende zu; aber es stand zu erwarten, daß der letzte Teil desselben der schwierigste sein werde. Diese Schwierigkeit war teils eine Folge der Bodenverhältnisse, denn wir hatten Berge, Felsen, Täler, Schluchten, Urwälder und Sümpfe vor uns, durch oder über welche nicht leicht zu kommen war, teils beruhte sie darauf, daß die Absichten und Ereignisse, denen wir gefolgt waren und auch jetzt noch folgten, zu einem Abschlusse, einem Ende drängten, bei welchem uns voraussichtlich größere Anstrengungen und Gefahren erwarteten, als wir bisher hinter uns hatten.

Israd, unser Führer, erwies sich als ein munterer Bursche. Er erzählte uns interessante Episoden aus seinem Leben und gab uns lustige Schilderungen von Land und Leuten, so daß wir gar nicht daran dachten, die Zeit zu messen.

Die fruchtbare Ebene von Mustafa liegt eigentlich am linken Ufer des Wardar, woher wir gekommen waren. Am rechten, an welchem wir uns befanden, steigt das Terrain mählich empor, doch ist das Land noch sehr fruchtbar. Wir kamen an reichen Baumwollen- und Tabakfeldern vorüber und sahen fruchttragende Limonien stehen. Doch sagte Israd, daß dies bald aufhöre und wir jenseits der Treska sogar durch Gegenden kommen würden, welche »meratlü« seien.

Um zu wissen, was dieses Wort bedeutet, muß man sich daran erinnern, daß der Grund und Boden des osmanischen Reiches in fünf verschiedene Klassen eingeteilt wird.

Die erste Klasse ist der »Mirieh«, das heißt das Land der Staatsdomänen, zu welchem selbstverständlich nicht der unfruchtbarste Boden gehört. Dann kommt der »Wakuf«, das Eigentum der frommen Stiftungen. Dieser Klasse fällt ohne weiteres alles Land zu, dessen Besitzer ohne Hinterlassung direkter Erben stirbt. Die dritte Klasse faßt den »Mülk«, den Privatgrundbesitz, in sich. Die Besitztitel werden in der Regel nicht nach einer genauen Messung, wie bei uns, sondern nach ungefährer Schätzung ausgestellt. Für jeden Wechsel des Besitzes, also Kauf, ist die Genehmigung der Regierung erforderlich, welche bei den dortigen Verhältnissen meist nur durch die Bestechung der betreffenden Beamten erlangt werden kann. Der Mülk leidet auch außerordentlich unter den Mißbräuchen, welche bei der Steuererhebung eingerissen sind. So hat zum Beispiel die Bodenwirtschaft zehn Prozent Naturalabgabe zu entrichten. Die Steuerpächter verschieben aber gewöhnlich die Einholung dieses Zehnts so lange, bis die Früchte in Fäulnis überzugehen drohen und der Landwirt mehr als zehn vom Hundert bietet, um den Ertrag seiner Ernte retten zu können. In die nächste Klasse, »Metronkeh« genannt, gehören die Straßen, öffentlichen Plätze und Kommunal-Grundstücke. Die Verkehrswege befinden sich meist in einem beklagenswerten Zustand, was ein Hauptgrund für die wirtschaftliche Notlage des Landes ist. Die letzte Klasse wird »Merat« genannt und begreift alles wüste und unproduktive Land in sich. Dieses war es, was unser Führer meinte, als er »meratlü« sagte.

Wir hatten zwei oder drei flache Terrassen zu ersteigen und kamen dann zu der Hochebene, welche im Westen steil nach den Ufern der Treska abfällt. Hier ritten wir durch einige kleine Dörfer. Der größte und bedeutendste Ort dieser Ebene, Banja, blieb links von uns liegen.

Da wir wußten, daß Israd uns in geradester Richtung führen werde, hatte ich nicht danach getrachtet, die Spuren des uns vorangerittenen Suef aufzusuchen. Es hätte uns das nichts nützen können, sondern nur zur Verzögerung unseres Rittes geführt. Nachdem wir ungefähr vier Stunden unterwegs waren, kamen wir durch einen sehr lichten Wald, dessen Bäume weit auseinander standen. Dort trafen wir die Fährte eines ein- zelnen [einzelnen] Reiters, welche von links auf unsere Richtung stieß. Ich betrachtete sie aus dem Sattel herab. Es war zwar nicht mit voller Bestimmtheit zu behaupten, aber es ließ sich vermuten, daß es die Fährte Suefs sei, zumal das Pferd so scharf ausgegriffen hatte, daß anzunehmen war, der Reiter habe große Eile gehabt. Da sie in unserer Richtung weiter führte, folgten wir ihr, bis nach einiger Zeit eine zusammengesetztere Fährte von rechts her kam.

Jetzt stieg ich ab. Wer einigermaßen Uebung besitzt, kann unschwer erkennen, von wie viel Pferden eine solche Spur gemacht wurde, falls es nicht gar zu viele gewesen sind. Ich sah, daß fünf Reiter hier geritten seien; also waren es höchst wahrscheinlich die von uns Gesuchten gewesen. Aus der bereits abgestumpften Schärfe der Ränder an den Hufeindrücken entnahm ich, daß diese Leute vor ungefähr sieben Stunden hier vorübergekommen seien.

Bei einer solchen Schätzung hat man sehr vieles zu berücksichtigen: die Witterung, die Art des Bodens, ob er hart oder weich, sandig oder lehmig ist, ob er kahl liegt oder mit Pflanzen bewachsen, vielleicht dünn mit Laub bedeckt ist. Auch auf die Luftbewegung und die Tageswärme hat man Obacht zu geben, da die Sonne oder scharfe Luft die Spuren schnell austrocknet, so daß die Ränder eher bröckeln, als wenn es kalt und windstill ist. Der Ungeübte kann bei einer solchen Beurteilung sehr leicht ein höchst irriges Resultat erzielen.

Nun ritten wir auf dieser Fährte fort. Nach einiger Zeit ging der Wald zu Ende, und wir kamen wieder auf freies Land. Eine Art von Weg kreuzte hierauf unsere Richtung, und wir sahen, daß die Fährte da nach rechts abbog, um diesem Pfad zu folgen. Ich blieb also halten und zog mein Fernrohr hervor, um nachzuforschen, ob ich vielleicht einen Ort, einen Gegenstand, ein Gehöft zum Beispiel, finden könne, um dessen willen die Reiter hier abgebogen seien. Ich konnte aber nichts dergleichen sehen.

»Was tun wir, Sihdi?« fragte Halef. »Wir können nun auf der Fährte bleiben, und wir können Israd weiter folgen.«

»Ich entschließe mich für das letztere,« antwortete ich. »Diese Leute sind doch nur für kurze Zeit abgewichen und werden später sicher wieder herüberlenken. Wir wissen, wohin sie wollen, und werden uns beeilen, dort auch anzukommen. Vorwärts also, wie bisher!«

Ich wollte mein Pferd in Bewegung setzen, doch Israd sagte:

»Vielleicht ist es doch geraten, ihnen zu folgen, Effendi. Da drüben rechts zieht sich ein breiter Grund hin, was wir von hier aus nicht sehen können. In demselben liegt ein kleiner Köjlüstan (* Bauernhof.), in welchem die Männer, denen wir folgen, vielleicht eingekehrt sind.«

»Was können wir dort erfahren? Sie werden sich nicht lange dort verweilt, sondern nur um einen Trunk Wasser oder um einen Bissen Brot gebeten haben. Keinesfalls ist anzunehmen, daß sie gegen die dort wohnenden Leute sehr mitteilsam gewesen sind. Reiten wir weiter!«

Aber schon nach kurzer Zeit wurde ich anderer Meinung. Die Spuren kamen von rechts her zurück, und nach einem nur oberflächlichen Blick bemerkte ich, daß sie ziemlich neu waren. Ich stieg also abermals ab, um sie sorgfältig zu prüfen. Ich fand, daß sie kaum zwei Stunden alt waren. Die Reiter hatten sich also gegen fünf Stunden lang in dem erwähnten Bauernhof aufgehalten. Die Ursache davon mußte ich erfahren. Wir gaben also den Pferden die Sporen und bogen nach rechts ein, um das Haus aufzusuchen.

Es lag gar nicht weit entfernt. Wir erreichten sehr bald die Stelle, wo sich die Fläche abwärts nach einem Tale senkte, welches ein Bach durchfloß. Es gab da unten saftige Weide und schöne Aecker. Dennoch machte das Haus den Eindruck von Aermlichkeit. Der bereits erwähnte Weg führte zu demselben hinab.

Wir sahen einen Mann vor der Türe stehen. Als er uns erblickte, verschwand er im Hause und zog die Türe hinter sich zu.

»Effendi, es scheint, daß dieser Bauer nichts von uns wissen will,« meinte Osko.

»Er wird schon mit sich sprechen lassen. Ich vermute, daß er scheu geworden ist, weil unsere guten Freunde schlecht mit ihm umgesprungen sind, wie es ja ihre Gewohnheit ist. Kennst du ihn vielleicht, Israd?«

»Gesehen hab ich ihn, aber seinen Namen weiß ich nicht,« antwortete der Gefragte. »Ob er aber mich kennt, das weiß ich nicht, da ich noch nicht bei ihm gewesen bin.«

Als wir vor der Türe anlangten, fanden wir dieselbe verschlossen. Wir klopften an, erhielten aber keine Antwort. Nun ritt ich nach der hinteren Seite des Hauses, auch da war eine Türe, aber gleichfalls verriegelt.

Als wir nun stärker klopften und laut riefen, wurde einer der Läden, welche auch zugezogen waren, aufgestoßen, und der Lauf eines Gewehres kam zum Vorschein. Dabei rief eine Stimme:

»Packt euch fort, ihr Strolche! Wenn ihr nicht aufhört, zu lärmen, so schieße ich!«

»Nur langsam, langsam, mein Lieber,« erwiderte ich, indem ich so nahe an den Laden heranritt, daß ich den Lauf der Flinte hätte ergreifen können. »Wir sind keine Strolche, wir kommen in keiner unfreundlichen Absicht.«

»Das sagten die Andern auch. Ich öffne meine Türe keinem Unbekannten mehr.«

»Vielleicht kennst du diesen hier,« entgegnete ich und winkte Israd herbei. Als der Bauer den jungen Mann erblickte, zog er langsam sein Gewehr zurück und sagte:

»Das ist ja der Baumeister, der Sohn des Schäfers in Treska-Konak!«

»Ja, der bin ich,« bestätigte Israd. »Hältst du auch mich für einen Strolch?«

»Nein, du bist ein braver Mann.«

»Nun, die Männer, welche sich bei mir befinden, sind ebenso brav. Sie verfolgen die Leute, welche bei dir waren, um sie zu züchtigen, und wollen sich bei dir erkundigen, was diese Strolche bei dir gewollt haben.«

»So will ich dir glauben und die Türe wieder aufriegeln.«

Er tat dies. Als er dann zu uns heraustrat, sah ich, daß dieser kleine, schwächliche, sehr ängstlich dreinschauende Mann allerdings nicht geeignet war, Leuten wie den beiden Aladschy zu imponieren. Er mochte uns doch nicht so recht trauen, denn er hielt die Flinte noch immer in der Hand. Auch rief er in das Haus hinein:

»Mutter, komm her, und schau sie an!«

Eine vor Alter krumm gebogene Frau kam mit Hilfe eines Krückstockes herbei und betrachtete uns. Ich sah einen Rosenkranz an ihrem Gürtel hängen, darum sagte ich:

»Hazreti Issa Krist ilahi war, anatschykim – Gelobt sei Jesus Christus, mein Mütterchen! Kowar sen bizi kapudanin taschra – willst du uns von deiner Türe weisen?«

Da ging ein freundliches Lächeln über ihr faltiges Gesicht, und sie antwortete:

»Herr, du bist ein Christ? O, die sind zuweilen die schlimmsten! Aber dein Gesicht ist gut. Ihr werdet uns nichts zuleid tun?«

»Nein, gewiß nicht.«

»So seid ihr uns willkommen. Steigt von den Pferden, und kommt herein zu uns.«

»Du wirst uns erlauben, im Sattel zu bleiben, denn wir wollen schnell wieder fort. Vorher aber möchte ich gern wissen, was diese sechs Reiter bei euch getan haben.«

»Es waren ihrer erst nur fünf. Der sechste kam später nach. Sie stiegen von den Pferden und führten dieselben ohne unsere Erlaubnis in das Jondscha kyri (* Kleefeld.), obgleich Gras genug vorhanden ist. Die Pferde haben uns das schöne Feld ganz zusammengetreten. Wir wollten Schadenersatz verlangen, da wir arme Leute sind; aber gleich beim ersten Wort erhoben sie ihre Peitschen, und wir mußten schweigen.«

»Warum kehrten sie denn eigentlich bei euch ein? Sie haben doch einen Umweg machen müssen, um an euer Haus zu kommen?«

»Es war einem von ihnen unwohl geworden. Er hatte einen verwundeten Arm und litt große Schmerzen. Da haben sie ihm den Verband abgenommen und die Wunden mit Wasser gekühlt. Das dauerte mehrere Stunden, und während Einer mit dem Verwundeten beschäftigt war, suchten die Andern alles im Hause zusammen, was ihnen gefiel. Sie haben unser Fleisch und unsere sonstigen Speisevorräte aufgezehrt. Meinen Sohn und die Schwiegertochter sperrten sie unter dem Dache ein und nahmen die Leiter weg, daß die Beiden nicht herunter konnten.«

»Und wo warst denn du?«

»Ich?« antwortete sie, indem sie listig mit den Augen zwinkerte, »ich stellte mich, als ob ich nicht hören könne. Das ist bei einer alten Frau leicht zu glauben. Da durfte ich in der Stube bleiben und hörte, was gesprochen wurde.«

»Wovon redeten sie?«

»Von einem Kara Ben Nemsi, welcher mit seinen Begleitern sterben muß.«

»Dieser Mann bin ich; doch fahre fort.«

»Und sie sprachen von dem Konakdschi an der Treska, bei welchem sie heute abend bleiben wollen, und von einem Köhler, dessen Name ich wieder vergessen habe.«

»Hieß er Scharka?«

»Ja, ja; morgen wollen sie bei ihm bleiben. Und von einem gewissen Schut redeten sie, den sie in Kara – kara – – ich weiß nicht, wie der Name war – – «

»Karanirwan?«

»Ja, den sie in Karanirwan-Khan treffen wollen.«

»Wißt ihr vielleicht, wo dieser Ort liegt?«

»Nein; sie haben es auch nicht gesagt. Aber sie redeten von einem Bruder, den der eine von ihnen dort treffen will. Sie nannten auch den Namen, doch kann ich mich leider nicht mehr auf denselben besinnen.«

»Hieß er vielleicht Hamd el Amasat?«

»Gewiß, so hieß er. Aber, Herr, du weißt ja mehr als ich!«

»Ich weiß allerdings bereits viel und ich will mich durch meine Fragen nur überzeugen, ob ich mich nicht irre.«

»Sie erzählten auch davon, daß in diesem Karanirwan-Khan ein Kaufmann gefangen sitzt, von welchem sie Lösegeld haben wollen. Aber sie lachten über ihn, denn selbst wenn er dieses Geld zahlt, wird er nicht frei kommen. Sie wollen ihn auspressen, bis er gar nichts mehr besitzt, und dann soll er ermordet werden.«

»Ah! So etwas habe ich vermutet. Wie ist dieser Kaufmann nach Karanirwan-Khan gekommen?«

»Der Hamd el Amasat, dessen Namen du nanntest, hat ihn hingelockt.«

»Wurde nicht gesagt, wie der Kaufmann heißt?«

»Es war ein fremder, ein ausländischer Name, und darum habe ich ihn nicht behalten, zumal ich so große Angst und Sorge hatte.«

»Aber wenn du ihn wieder hörtest, würdest du vielleicht wissen, ob es dieser Name ist?«

»Ganz gewiß, Herr.«

»Lautet er Galingré?«

»Ja, ja, so hieß er; ich besinne mich ganz genau.«

»Was wurde Weiteres gesprochen von dem, was sie vorhaben?«

»Nichts, denn da kam der sechste Reiter. Er ist ein Flickschneider und erzählte von Feinden, wegen denen er in den Wardar gestürzt sei. Jetzt weiß ich, daß ihr diese Feinde seid. Ich mußte ein großes Feuer machen, damit er sich seine Kleider trocknen konnte; darum und weil der Alte mit seiner Wunde nicht fertig wurde, blieben sie so lange bei uns. Dieser Flickschneider erzählte von der Bastonnade, welche er bekommen habe. Er konnte nur sehr schwer gehen und hatte keine Schuhe an, sondern seine Füße mit Lappen umbunden, welche mit Talg eingerieben waren. Ich mußte ihm neue Lappen schaffen, und da ich keinen Talg hatte, stachen sie unsere Ziege tot, um Talg zu bekommen. Ist dies nicht eine schändliche Grausamkeit?«

»Allerdings. Wie viel war diese Ziege wert?«

»Gewiß fünfzig Piaster.«

»Dieser mein Begleiter, Hadschi Halef Omar, wird dir fünfzig Piaster schenken.«

Halef zog sofort den Beutel und hielt ihr ein halbes Pfundstück hin.

»Herr,« fragte sie ganz verblüfft, »willst du etwa den Schaden bezahlen, welchen deine Feinde anrichten?«

»Nein, das kann ich nicht, denn ich besitze nicht den Reichtum des Padischah; aber für eine Ziege können wir dir sorgen. Nimm das Geld!«

»So freue ich mich, dir getraut und euch mein Haus und meinen Mund nicht verschlossen zu haben. Gesegnet sei euer Kommen, und gesegnet sei euer Gehen; gesegnet sei jeder eurer Schritte, und alles, was ihr tut!«

Wir verabschiedeten uns von den Leuten, welche uns ihre Dankesworte für die erhaltene Gabe noch weit nachriefen, und kehrten zu dem Ausgangspunkt unsers kleinen Abstechers zurück, um dann der ursprünglichen Richtung wieder zu folgen.

Wir kamen zunächst weiter durch offenes Land, wo nur hier oder da ein einzelner Baum zu sehen war. Unser vorher so munterer Führer war sehr nachdenklich geworden. Als ich ihn nach der Ursache fragte, antwortete er:

»Herr, ich habe die Gefahr, in welcher ihr euch befindet, gar nicht so schwer genommen, wie sie ist. Erst jetzt erkenne ich, in welch einer schlimmen Lage ihr seid. Das macht mir Sorge. Wenn eure Feinde ganz unerwartet aus dem Hinterhalt über euch herfallen, seid ihr verloren.«

»Das glaube ich nicht; wir würden uns wehren.«

»Du hast ja gar keine Idee, mit welcher Sicherheit hierzulande der Czakan geworfen wird, und kein Mensch ist im stande, einen auf ihn geschleuderten Czakan abzuwehren.«

»Nun, ich kenne einen, der es vermag,« erwiderte ich.

»Das glaube ich nicht. Wer soll das sein?«

»Ich selbst.«

»Oh, oh!« lächelte er, indem er mich von der Seite anblickte. »Es ist jedenfalls nur ein Scherz gewesen.«

»Es war sehr ernst gemeint. Der Mann hatte es auf mein Leben abgesehen.«

»Das begreife ich nicht. Jedenfalls hat er nicht mit dem Czakan umzugehen gewußt. Gehe in die Berge; da kannst du Meister dieser fürchterlichen Waffe sehen. Lasse dir von einem echten Skipetaren oder gar von einem Miriditen zeigen, wie das Beil gehandhabt wird, und du wirst staunen.«

»Nun, der Mann, mit welchem ich es zu tun hatte, war ein Skipetar, sogar ein Miridit.«

Er schüttelte ungläubig den Kopf und fuhr fort:

»Wenn es dir gelungen ist, seinen Czakan zu parieren, so ist er dann dir gegenüber waffenlos gewesen, und du hast ihn besiegt?«

»Allerdings. Er hat sich in meiner Gewalt befunden, und ich schenkte ihm das Leben. Er gab mir dafür sein Beil, das hier in meinem Gürtel steckt.«

»Ich habe diesen Czakan bereits lange heimlich bewundert. Es ist ein außerordentlich schöner Czakan, und ich dachte, du hättest ihn irgendwo gekauft, um recht kriegerisch zu erscheinen. Trotzdem ist er unnütz in deiner Hand, denn du verstehst nicht, mit ihm zu werfen. Oder hättest du dich bereits in dieser Kunst versucht?«

»Nicht mit einem Czakan, sondern mit andern Beilen.«

»Wo ist das gewesen?«

»Weit von hier, in Amerika, wo es wilde Völker gibt, deren Lieblingswaffe das Beil ist. Von ihnen habe ich den Gebrauch desselben gelernt, und es wird dort Tomahawk genannt.«

»Aber ein Wilder kommt einem Miridit unmöglich gleich!«

»Ganz im Gegenteil. Ich glaube nicht, daß ein Skipetar seinen Czakan so geschickt zu schleudern versteht, wie ein Indianer seinen Tomahawk. Der Czakan wird in gerader, der Tomahawk aber in der Linie des Bogens geworfen.«

»Sollte das wirklich jemand zu tun vermögen?«

»Jeder rote Krieger vermag es, und auch ich.«

Seine Wangen hatten sich gerötet, und seine Augen leuchteten. Jetzt hielt er sein Pferd an, stellte es quer vor das meinige, so daß auch ich zum Anhalten gezwungen war, und sagte:

»Effendi, du mußt verzeihen, daß ich so eifrig bin. Was bin ich gegen dich! Und dennoch wird es mir schwer, deinen Worten zu glauben. Ich will dir gestehen, daß ich ein Czakanwerfer bin, der es mit jedem andern aufnimmt. Darum weiß ich, welche Jahre der Uebung es erfordert, Meister dieser Waffe zu werden. Leider habe ich mein Beil nicht bei mir.«

»Ich habe freilich noch nie einen Czakan geworfen,« lautete meine Antwort, »aber ich denke, wenn ich auch das erste oder zweite Mal das Ziel verfehle, der dritte Wurf würde gelingen.«

»Oh, oh, Herr, denke das nicht!«

»Ich denke es, und ich würde das Beil kunstreicher werfen, als du.«

»Wie so?«

»Wenn ich es werfe, so streift die Waffe eine Strecke weit ganz unten am Boden hin, dann steigt sie in die Höhe, macht einen Bogen, senkt sich nieder und trifft ganz genau dort auf, wo es meine Absicht war, zu treffen.«

»Das ist ja ganz und gar unmöglich!«

»Es ist wirklich so.«

»Effendi, ich nehme dich bei deinem Wort. Wenn ich viel Geld bei mir hätte, würde ich dich auffordern, zu wetten.«

Er war vom Pferde gestiegen. Es hatte ihn eine solche Begeisterung ergriffen, daß es mir innerlich Spaß bereitete.

»Armer Teufel!« sagte Halef, indem er eine seiner stolzen Armbewegungen machte.

»Wen meinst du damit?« fragte ihn Israd.

»Dich natürlich.«

»So meinst du etwa, daß dein Effendi die Wette gewinnen würde?«

»Ganz gewiß.«

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