In den Cordilleren - Karl May - ebook

In den Cordilleren ebook

Karl May

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Opis

„In den Cordilleren” ist der Fortsetzung des Südamerika-Romans „Am Rio de la Plata”. Die Reisegesellschaft ist nun auf dem Weg in die Pampa de Salinas. Unterwegs treffen sie auf Pena, der für eine Gruppe von Siedlern um Hilfe bittet, die auf dem Gebiet der Aripones in Gefahr geraten sind, und – endlich – auf den Sendador, der an der Gefahr für die Siedler keinesfalls unschuldig ist. Er wird gefangen genommen und die Siedler gerettet. Nach seiner heimlichen Befreiung, hetzt der Sendador die Indianer auf die Reisegruppe. Senor Charley und Pena können fliehen und treffen unterwegs auf den geheimnisvollen alten Desierto. Spannungsgeladener und dramatischer Roman Karl Mays um eine ereignisreiche Reise.

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Karl May

In den Kordilleren

Warschau 2018

Inhalt

1. Im Gran Chaco

2. Der alte Desierto

3. An der Laguna de Carapa

4. Auf der Isleta del Circulo

5. Gottes Gericht

Im Gran Chaco

Die Stadt Palmar liegt in der Provinz Corrientes, dem Argentinischen Mesopotamien, und zwar an dem Flusse, welcher denselben Namen wie die Provinz selbst führt. Sie ist nicht groß, treibt aber einen bedeutenden Handel, wenigstens nach den dortigen Verhältnissen bedeutend, denn trotz der außerordentlichen Fruchtbarkeit von Corrientes liefert der Ackerbau nur den heimischen Bedarf; die Industrie ist nicht nennenswert, und die Ausfuhr besteht nur aus den Produkten des Waldes und der Herden.

Zu der Zeit, als wir uns diesem Städtchen mit unsern Gefangenen von Süden her näherten, bildete es den Ausgangspunkt aller von Norden her gegen den aufständischen Lopez Jordan gerichteten militärischen Unternehmungen. Da gab es Soldaten aller Art, über deren Aussehen ein deutscher Landwehrmann den Kopf geschüttelt hätte. Doch machten sie immerhin einen bessern Eindruck als diejenigen, welche ich bei Jordan gesehen hatte. Als wir ankamen, sahen wir sie rechts und links vom Wege exerzieren.

Das Städtchen liegt nicht direkt am Flusse, sondern es wird durch Moräste von ihm getrennt, welche man durch Schilfdämme wegbar gemacht hatte. Der Oberst hieß uns im Galopp bis auf die Plaza reiten und vor der Casa de Ayuntamiento, dem Rathause, halten, welches einem Lüneburger Heidehofe ähnlicher sah als dem Sitze einer städtischen Behörde.

Dort stellte er sich dem Platzkommandanten vor, wobei der Bruder und ich ihn begleiten mußten, um ihn bei der Erzählung des Vorgefallenen zu unterstützen. Der Erfolg dieses Berichtes war, daß die Offiziere der Aufständischen im Stadthause eingeschlossen und ihre Soldaten in mehrere Corrals gesperrt wurden, um später abgeurteilt zu werden. Uns aber lud der Herr, einschließlich aller meiner Begleiter, zum Essen ein.

Die ohne einen einzigen Schuß oder Schwertstreich erfolgte Gefangennahme der an Zahl so überlegenen Gegner und die Erbeutung so vieler Pferde, an welchen großer Mangel war, galt natürlich für eine vielverheißende Einleitung der kriegerischen Thätigkeit des Obersten. Und da er diesen Erfolg uns zu verdanken hatte, so erging er sich in den zartesten Aufmerksamkeiten gegen uns. Er forderte uns auf, möglichst lange in Palmar zu bleiben, und versprach, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen und uns dann mit allem für unsre Weiterreise Nötigen reichlich zu versorgen. Sein Erstes war, uns ein möglichst gutes Quartier anzuweisen. Wir fanden dasselbe in dem Hause eines reichen Handelsherrn, welcher sich mit der Ausfuhr von Landesprodukten beschäftigte. Bei ihm wurden wir sehr freundlich aufgenommen und teils in zwei Gaststuben, teils in einem für die Dienerschaft bestimmten Nebengebäude untergebracht.

Was mich betraf, so zog ich es vor, mich sofort schlafen zu legen, nachdem ich mich überzeugt hatte, daß mein Pferd sich in guter Pflege befand. Die Stadt bot gar nichts Sehenswertes, und nach den gehabten Anstrengungen war eine ausgiebige Ruhe das allernötigste für uns.

Der Frater, Turnerstick und sein Steuermann legten sich auch schlafen. Die andern zogen es vor, sich in der Stadt zu vergnügen. Dies war auch der Fall mit Gomez, dem Indianer, dessen Mutter durch das unfreiwillige Bad im Parana ganz nachhaltig wieder hergestellt zu sein schien. Sie waren gegangen, um sich mit ihren Stammesgenossen zu unterhalten, welche in der Stadt lebten oder auch in das hier befindliche Militär getreten waren. Gomez gehörte zu dem Stamme der Aripones, welche ihren hauptsächlichsten Aufenthalt zwischen dem Rio Salado und Rio Vermejo haben und infolgedessen die besten Kenner des geheimnisvollen Gran Chaco sind.

Als es längst dunkler Abend war, kam er, mich zu wecken. Er entschuldigte das damit, daß er Abschied nehmen müsse, weil er Ursache habe, Palmar sofort zu verlassen. Als ich ihn nach dem Grunde fragte, antwortete er:

»Ich muß sofort in meine Heimat gehen, da die Meinigen sich in Gefahr befinden, aus ihren Wohnsitzen verdrängt zu werden. Ich habe sie zu warnen.«

»Wo befinden sich diese Wohnsitze?«

»Jenseits des Parana, zwischen dem Rio Salado und dem obern Laufe des Rio Vivoras.«

»Giebt es dort nicht eine Reihe verlassener Ansiedelungen?«

»Ja. Es waren vor langer, langer Zeit Weiße eingewandert, welche sich aber nicht halten konnten – der – der – Indianer wegen, die sich feindlich gegen sie verhielten. Die Weißen haben fortgemußt, und ihre Häuser sind zerfallen. Jetzt kommen abermals welche, um uns aus unserm Reviere zu vertreiben. Sollen wir gehen, ohne uns gewehrt zu haben?«

»Was wollen diese Leute dort? Es giebt doch anderwärts Land genug, welches bequemer liegt und weit fruchtbarer ist. Warum ziehen sie gerade jene Gegend vor, welche zu dem wilden Gran Chaco gehört?«

»Dasselbe sagen und fragen auch wir. Es giebt so viel Platz, daß man uns in Ruhe lassen kann.«

»Was für Leute sind denn diejenigen, von denen Sie sprechen?«

»Sie sind teils aus Buenos Ayres herauf- und aus Corrientes heruntergekommen. Ihre Anführer sind ein nordamerikanischer Ingenieur und der Bevollmächtigte eines Bankiers in Buenos. Sie wollen den Rio Salado tiefer und breiter machen, damit Dampfer denselben befahren können. Ist das geschehen, so wollen sie in dem dichten Walde, welcher sich weit, weit am linken Ufer des Flusses hinzieht, Bäume fällen und Yerba (* Paraguaythee, Mate.) sammeln lassen, um beides auf dem Salado in den Parana gehen zu lassen und sich viel Geld zu verdienen.«

»Haben sie Konzession dazu?«

»Das weiß ich nicht. Die beiden Anführer sind hier in Palmar gewesen, weil der Führer, den sie haben wollten, sich hier befand. Die andern Leute, welche zu dieser Expedition gehörten, blieben an der Mündung des Flusses zurück, um ihre Rückkehr dort zu erwarten.«

»Ist die Gesellschaft zahlreich?«

»Ja. Eine Anzahl Männer sind mit Booten den Rio Salado hinauf, um die andern dort zu erwarten, welche mit zahlreichen Ochsenwagen nach den alten Ansiedelungen gehen.«

»Ist es denn möglich, mit solchen Wagen dieses Ziel zu erreichen?«

»Ja. Nur in der Nähe des Parana bieten sich solche Schwierigkeiten, daß die Wagen zerlegt werden müssen. Die Teile derselben werden ebenso wie das Gepäck von den Ochsen so weit getragen, bis man freien Camp findet. Dann setzt man die Wagen wieder zusammen und kann bis zu den Ansiedelungen fahren. Man scheint zu denken, daß diese Schwierigkeiten nicht schwer zu überwinden seien, denn mehrere der Männer haben ihre Frauen und Kinder mitgenommen.«

»Dann ist es allerdings auf einen längern, wohl gar bleibenden Aufenthalt abgesehen.«

»Jedenfalls. Da aber mein Stamm in der Nähe der alten Ansiedelungen wohnt und das Land für sein Eigentum hält, so wird es ganz gewiß zu einem Zusammenstoße kommen. Ich muß also schleunigst hin, Sennor. Auch kenne ich die Gebräuche der Weißen besser als meine Genossen, und da ich gut spanisch spreche, kann ich auch als Dolmetscher von großem Nutzen sein, obgleich der Führer der Weißen unsre Sprache so genau versteht, als ob er zu uns gehörte. Er ist der berühmteste weiße Kenner des Gran Chaco.«

»Wie heißt er?«

»Geronimo Sabuco.«

»Ah! Ist's etwa der, welcher gewöhnlich nur el Sendador genannt wird?«

»Ja. Kennen Sie ihn?«

»Persönlich nicht. Aber Sie müssen doch wohl gehört haben, daß ich mit meinen Gefährten oft von ihm gesprochen habe?«

»Sie haben von einem Sendador gesprochen; aber es giebt deren so viele, daß ich nicht wissen konnte, welchen Sie meinen.«

»Vielleicht irren Sie sich, und es ist ein anderer. Wir waren überzeugt, ihn weit nördlicher zu finden.«

»Es ist Sabuco, kein anderer. Suchen Sie ihn?«

»Ja. Wir wollen zu ihm, um ihn als Führer zu engagieren.«

»Da kommen Sie nun zu spät. Er ist schon engagiert.«

»Aber wir wollen und müssen ihn haben. Wir sind nur deshalb hierher gekommen, um ihn im Gran Chaco aufzusuchen.«

»Wenn dies der Fall ist, Sennor, so freue ich mich, weil Sie dann jedenfalls mit mir gehen werden, denn anders können Sie ihn nicht finden.«

»Das ist richtig. Ich werde mich mit meinen Gefährten besprechen.«

»So thun Sie das bald, da ich noch vor Anbruch des Morgens fort will. Ich habe keine Zeit zu verlieren. Je schneller ich reise, desto eher kann ich meinen Stamm warnen.«

»Es fragt sich, ob Ihnen das noch zur rechten Zeit möglich ist. Können Sie die Expedition denn nicht einholen?«

»Ja, denn sie ist vor fünf Tagen von hier aufgebrochen, aber diese Leute reisen mit Ochsenkarren, also sehr langsam, während ich aber reiten werde.«

»Wie lange reitet man bis zu den alten Ansiedelungen?«

»Vom Parana aus ungefähr zehn Tage, während man zu Wagen wenigstens fünfzehn braucht. Ich muß diese Leute also erreichen, bevor sie an ihr Ziel kommen, werde mich aber nicht vor ihnen sehen lassen, da sie nicht zu wissen brauchen, daß ich meinen Stamm benachrichtigen will. Sie würden mich natürlich daran zu hindern suchen.«

»Da Sie Ihre Mutter mitnehmen, können Sie keine sehr bedeutenden Tagesmärsche machen, welche die Frau übermäßig anstrengen würden. Darum ist es sehr wahrscheinlich, daß Sie doch zu spät kommen. Und so liegt an einer kleinen Versäumnis von wenig Stunden auch nicht viel. Sie können immerhin warten, bis es Tag geworden ist.«

»Nein, Sennor. Wenn Sie nicht eher aufbrechen wollen, so reite ich allein. Was hindert Sie denn, eher aufzubrechen?«

»Erstens der Umstand, daß Tiere und Menschen einmal ausruhen müssen. Und sodann reitet man nicht nach dem Gran Chaco, ohne die dazu nötigen Vorbereitungen zu treffen.«

»Das ist wahr. Zwei Personen bedürfen nicht viel; Sie aber zählen mehr.«

»Und wie kommen wir über den Parana?«

»Wir warten ein Schiff oder Floß ab, das uns übersetzt.«

»Dabei könnten wir viel Zeit verlieren. Nein; ich werde mit dem Obersten und dem Platzkommandanten sprechen. Hoffentlich stellen sie uns einige Fahrzeuge zur Verfügung, mit denen wir den Rio Corrientes hinab in den Parana fahren und am jenseitigen Ufer des letzteren anlegen können. Das würde für uns eine große Zeitersparnis bedeuten.«

»Sennor, Sie haben recht. Ich sage Ihnen, daß ich die Gegend genau kenne. Die großen Sümpfe, welche an den Ufern des Parana liegen, halten jeden Reiter nicht nur auf, sondern können ihm sogar höchst gefährlich werden. Ich aber kenne eine schmale Wasserbucht, welche der Parana weit in das Land hineinsendet. Bekommen wir Kähne, so können wir dieselben benutzen und an der Sumpfregion vorüberkommen.«

»Also eine Art Bayou, wie man im Norden diese toten Flußarme nennt? Das ist sehr gut. Sie sehen aber ein, daß ich die beiden Herren, mit denen ich sprechen will, nicht jetzt mitten in der Nacht wecken darf. Also werden Sie warten?«

»Unter diesen Verhältnissen, ja. Vorausgesetzt natürlich, daß Sie wirklich mitreiten.«

»Auf alle Fälle. Wir müssen den Sendador finden, und da er nach den Ansiedelungen ist, werden wir ihm folgen. Wie aber steht es mit dem Wege, welchen wir bis dorthin zurückzulegen haben? Ist er sehr beschwerlich?«

»Nein, wenn wir einmal über den Parana und seine Sümpfe hinüber sind. Wo ein Fluß ist, giebt es freilich Moor und große Feuchtigkeit, sowie weite, dichte Waldungen. Auch findet man bedeutende Strecken, in denen man nichts als Sand und wieder Sand findet. Aber Sie haben auch herrliche Camposstrecken, welche von schönen Gehölzen unterbrochen sind. Die Hauptsache ist, daß Sie einen Führer haben, welcher die Gegend kennt.«

»Nun, den werden wir wohl in Ihnen finden?«

»Ja. Noch bewanderter aber ist mein Vetter Gomarra, welchen ich Ihnen empfehlen kann. Der allererfahrenste freilich ist Geronimo Sabuco. Wenn Sie den finden, so bringt er Sie durch den ganzen Chaco, ohne daß Sie eine Ahnung bekommen, wie gefährlich er eigentlich für den Fremden, besonders für den Weißen ist.«

»Warum gerade für den Weißen?«

»Weil dieser nicht an das Klima gewöhnt ist und also bald das Fieber bekommt, Und sodann, weil es für ihn noch andere und weit schlimmere Gefahren giebt.«

»Welche? Wilde Tiere?«

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