Das Eulenhaus - Eugenie Marlitt - ebook

Das Eulenhaus ebook

Eugenie Marlitt

0,0
14,90 zł

lub
-50%
Zbieraj punkty w Klubie Mola Książkowego i kupuj ebooki, audiobooki oraz książki papierowe do 50% taniej.
Dowiedz się więcej.
Opis

Eugenie Marlitt (1825-1887) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie wird als erste Bestsellerautorin der Welt angesehen. Eugenie Marlitt arbeitete bis zu ihrem Tod im Jahr 1887 an ihrem Roman „Das Eulenhaus” den sie jedoch nicht mehr vollenden konnte. Diese Aufgabe übernahm dann Wilhelmine von Heimburg. In ihrem letzten Roman thematisiert Marlitt die gesellschaftlichen Problematiken die ihr am Herzen lagen wie gleiche Bildungschancen für Frauen, soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Toleranz.

Ebooka przeczytasz w aplikacjach Legimi lub dowolnej aplikacji obsługującej format:

EPUB
MOBI

Liczba stron: 452

Oceny
0,0
0
0
0
0
0
Więcej informacji
Więcej informacji
Legimi nie weryfikuje, czy opinie pochodzą od konsumentów, którzy nabyli lub czytali/słuchali daną pozycję, ale usuwa fałszywe opinie, jeśli je wykryje.



Eugenie Marlitt

Das Eulenhaus

Warschau 2018

Inhalt

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

1

Die Goldregen- und Syringenbüsche in den Hofwinkeln des Geroldschen Gutes strotzten heuer von Dolden und Trauben, das Brunnenwasser stürzte, durchfunkelt von jungem Maisonnenlicht, mit kräftigem Getöse in den Steintrog, und auf den Stall- und Scheunendächern lärmten die Spatzen. Es schien, als blühe, dufte und lärme es heute stärker als je auf dem Geroldshofe, so recht wie im Gefühl der Heimatsfreude, denn die Büsche, der Brunnen und das alte Sperlingsgeschlecht in seinen liederlichen, verrotteten Nestern, sie blieben ja da, sie wurden nicht vertrieben, wie die aufgeschreckten Spinnen und Motten hinter fortgerückten uralten Schränken und Truhen im Gutshause. Ja, schlimm genug sah es aus da drinnen, fast wie im Kriege: so kahl waren die Wände und ein so wildes Durcheinander lag und stand auf den Dielen des Speisesaales!

Da war nichts von dem, was brave Hausfrauen in den Wäschespinden und Bettkammern und ihre Eheherren an Haus-, Silber- und Jagdgerät aufgesammelt hatten, das nicht in diesen Saal mußte, um sich von fremden kaltprüfenden Augen anschauen zu lassen und nachher auf weit auseinanderlaufenden Wegen zerstreut und aus aller Gemeinschaft gerissen in die Welt zu wandern.

Wie sie beleidigend durch die offenen Saalfenster herausklang, die wie mit dickem Möbel- und Bücherstaub belegte Gerichtsschreiberstimme bei ihrem eintönigen »Zum ersten, zum zweiten...«! Es war fast zu verwundern, daß nicht einer der alten Gestrengen seinen jahrhundertelangen Schlaf abschüttelte, um bei dieser Stimme protestierend aus dem unterirdischen Steingewölbe der nahen Hauskapelle herauszufahren. Da drunten zerstäubte ja so manche Männerfaust, die einst kräftig dreingeschlagen, um das, was sie an Hab und Gut erworben oder vielleicht auch sich gewaltsam angeeignet hatte, mit Mord und Totschlag zu behaupten. Aber der letzte Besitzer von Geroldshof, dem jetzt alles, was nicht niet- und nagelfest war, so vor den Augen weggeschleppt wurde, hatte gesänftigtes Blut in den Adern. Er war ein edel schöner Mann mit verschleiert blickenden Augen, mit einer Stirn, die das Sinnen und Grübeln faltete und zugleich verklärte.

Er saß in seiner stillen, just in dem Winkel gelegenen Hinterstube, wo sich das Syringengebüsch hoch bis über das Fenster hinaufreckte. Die weißen und blauen Blütentrauben klopften bei jedem Windhauch schaukelnd an die Scheiben, die, fest geschlossen, den Versteigerungslärm vom Speisesaal her ziemlich erfolgreich abwehrten.

Herr von Gerold schrieb an einem Tisch von Fichtenholz, den man ihm großmütig aus der Konkursmasse überlassen hatte. Für ihn war es offenbar nicht von Belang, daß sein Manuskript jetzt auf der weißgescheuerten Platte eines Gesindetisches lag, sein Geist, der Außenwelt abgewandt, vertiefte sich in Probleme, während die Hand kleine, weichverschwimmende Schriftzüge auf das Papier warf, und nur dann wurde sein Aufblick bewußter, und so etwas wie liebevolle Freude an einem plötzlich auftauchenden Kindergesicht glitt über seine Züge, wenn die Syringenblüten draußen ihm zunickten.

Es war aber außer ihm noch jemand im Zimmer, ein kleines, dickes, blondhaariges Mädchen, das sich in eine der Fensterecken gedrückt hatte. Dem kleinen Ding lag etwas genau so am Herzen, wie dem schreibenden Mann dort sein Manuskript – die Spielkameraden. Es hatte in dem Winkel alles zusammengeschleppt, was ihm allein gehörte, ja, ganz allein! Das schönbemalte Porzellantafelgeschirr für eine Kindergesellschaft hatte die gute Hoheit geschickt, und alle Puppen, die Schleppkleiderdamen wie die Schreikinder, waren zu Geburtstag und Weihnachten in langen Kisten angekommen, und auf die Bretterdeckel hatte Tante Klaudine allemal selbst geschrieben: »An die kleine Elisabeth von Gerold«. Der Papa hatte es ja stets dem Kinde vorgelesen. Nun saß diese kleine Elisabeth inmitten ihrer Reichtümer wie in einem Nest, das jüngste Wickelkind im Arm und die großen Blauaugen scheu und ängstlich auf die Tür geheftet, wo vorhin die bösen Männer mit den letzten Bildern und der schönen »Ticktackuhr« hinausgegangen waren.

Sie patschte leise beschwichtigend auf das Wickelkissen. Sonst aber verhielt sie sich mäuschenstill, denn der Papa machte ja immer ein so erschrecktes Gesicht, wenn sie ihn im Schreiben störte. Und es kam auch jetzt kein Laut aus ihrem Munde, als plötzlich die gefürchtete Tür lautlos aufging, aber die Wickelpuppe glitt vom Schoße auf die Erde nieder, die kleine dicke Person erhob sich von ihrem Korbstühlchen, wackelte, so schnell es die Beinchen vermochten, durch das Zimmer und hob mit glückstrahlendem Gesicht die Arme zu der Dame empor, die eingetreten war.

Ach, sie war gekommen, die Tante Klaudine, die schöne Tante, die dem Kinde vieltausendmal lieber war als Fräulein Duval, die Erzieherin, die immer zu den anderen Leuten im Hause gesagt hatte: »Fi donc, was für ein pauvres Haus! Nichts für Claire Duval! Ich gehe!« Und sie war gegangen und war gar nicht mehr gut und höflich zu dem Papa gewesen, und das Kind hatte sich nachher die Wange rein gerieben von Fräulein Duvals kaltem, häßlichem Kuß.

Ja, das war nun freilich anders, als jetzt zwei weiche Hände es sanft emporhoben und ein süßer Mund es zärtlich küßte, und dann glitt die junge Dame ebenso geräuschlos, wie sie gekommen, über die Dielen – nur das dunkle Seidenkleid knisterte ein wenig – und legte die Hand auf die Schulter des schreibenden Mannes.

»Joachim!« rief sie ihn mit sanfter Stimme an und bog sich vor, um in sein Gesicht zu sehen.

Er fuhr empor und stand sofort auf seinen Füßen.

»Ah, Klaudine!« rief er in sichtlichem Schrecken. »Schwesterchen, liebes Kind, hierher durftest du nicht kommen. Sieh, ich trag's leicht, ich bin bereits darüber hinweg, aber du wirst bittere Schmerzen leiden unter der Zerstörung, die alles, was du lieb hattest, nach allen Winden hin zerstreut! Armes, armes Kind! Wie mir die verweinten Augen da weh tun!«

»Nur ein paar Tränchen, Joachim«, sagte sie mit lächelnden Lippen, aber aus ihrer Stimme klang noch innerer Schmerz. »Daran ist nur der Rappe schuld, unser alter Briefträger, der uns jeden Morgen die Posttasche holte. Denke dir, es erkannte mich sofort, das treue Tier, als es an mir vorübergeführt wurde.«

»Ja, Peter ist fort, Tante«, sagte die kleine Elisabeth. »Er kommt nicht wieder, der gute Peter, und der Wagen ist auch fort, und der Papa muß nach Eulenhaus laufen.«

»Er muß nicht laufen, Herzchen, denn ich habe einen Wagen mitgebracht«, tröstete Tante Klaudine. »Ich will nicht erst ablegen, Joachim –«

»Darum darf ich dich auch nicht bitten in diesem fremden Hause. Ich kann dir auch nicht einmal eine Erfrischung anbieten. Die Köchin hat uns heute mittag die letzte Kartoffelsuppe gekocht und ist dann gegangen, weil sie ihren neuen Dienst antreten mußte. Sieh, das sind lauter Bitternisse, die du erfährst, und welche du dir ersparen konntest. Du wirst lange mit dir kämpfen müssen, um nach deiner Rückkehr an den Hof das häßliche Gespenst dieser Erinnerungen loszuwerden.«

Sie schüttelte leise den schönen Kopf.

»Ich gehe nicht an den Hof zurück. Ich bleibe bei dir«, erklärte sie bestimmt.

Er prallte zurück.

»Wie – bei mir? Willst du mein – mein Bettelbrot teilen? Nie, Klaudine, nie!« Er streckte die Hand abwehrend gegen sie aus. »Unser schöner Schwan, die Augenweide, die Freude so vieler, sollte in dem Eulennest verkümmern? Hältst du mich für einen Seelenmörder, daß du ein solches Ansinnen an mich stellst? Ich ziehe mich gern, ja, erleichterten Herzens zurück in das alte Haus, in dein Haus und Erbe, das du mir großmütig zur Verfügung gestellt hast – es wird mich traut und heimisch umfangen, denn ich habe mein stilles Schaffen, das mir alles verklärt, mir das karge Brot versüßt und die alten Wände vergoldet. Aber du, du?«

»Ich habe diesen Protest vorausgesehen und deshalb allein gehandelt«, sagte sie fest und sah ihm mit ihren langbewimperten, sanften Augen in das Gesicht. »Ich weiß wohl, daß du mich nicht brauchst, du genügsamer, stiller Einsiedler. Was aber soll aus deiner kleinen Elisabeth werden?«

Er blickte wie erschrocken nach dem Kinde hin, das sich eben abmühte, einen kleinen, runden Kattunmantel, wie ihn die Thüringer Bauernfrauen tragen, zum Abmarsch überzuwerfen. »Fräulein Lindenmeyer ist ja da,« sagte er zögernd.

»Fräulein Lindenmeyer war Großmamas gute, brave Kammerfrau und ist zeitlebens treu wie Gold gewesen, aber nun ist sie alt und grau, wir können ihr unmöglich zumuten, das Kind zu behüten. Und wie denkst du dir wohl den Unterricht von Seiten der alten guten, schwärmerischen Seele?« fuhr sie lebhaft fort, während ein trübes Lächeln durch seine Züge schlich. »Nein, lasse mich gutmachen, was ich verschuldet habe! Ich durfte nicht zu meiner alten Hoheit gehen, ich mußte die Hofdamenstellung zurückweisen und bei dir bleiben, um das abwärts rollende Rad nach Kräften mit aufzuhalten. Um den Geroldshof stand es schon damals schlimm.«

»Und dein Bruder hatte sich törichterweise ein verwöhntes Weib aus Spanien mit heimgebracht, das jahrelang an dem deutschen Klima krankte, bis es der Engel der Erlösung von dem Schmerzenspfühl hinwegnahm, nicht wahr, Klaudine?« ergänzte er mit aufquellender Bitterkeit. »Dazu war er ein ganz erbärmlicher Ökonom, ein Unnützer, der die Wiesenblumen und Gräser unter dem Mikroskop studierte; ihre Schönheit besang und dabei vergaß, daß sie in erster Linie gutes Milchfutter sein müssen. Jawohl, wahr ist's! In schlimmere Hände konnte das schon damals ziemlich abgewirtschaftete Gut nicht kommen, als in die meinen. Aber bin ich allein dafür verantwortlich zu machen? Was kann ich dafür, daß kein Tropfen des Bauernblutes in mir lebt, welches sich immer ganz gut mit dem blauen Geblüt in den Adern unserer Vorfahren vertragen hat? Ackerpflug und Viehzucht haben ja zumeist das nun in alle vier Winde verflogene Geroldsche Vermögen erworben, und ich muß mich vor dem geringsten Taglöhner im Dorfe schämen, der mit Fleiß und Schweiß seinen ererbten Kartoffelacker zu behaupten sucht. Ich nehme nichts mit als meine Feder und eine Handvoll Kleingeld, das mir und meinem Kinde Brot geben muß, bis mein Manuskript vollendet und eingeliefert ist. Deshalb schreibe ich mit jagenden Pulsen –«

Er unterbrach sich. Bitter lächelnd trat er der jungen Dame näher und legte beide Hände auf ihre Schultern. »Ja, siehst du, Kind, Herzensschwester, wir zwei, die zwei letzten, sind Schwimmvögel, die das ehrbare Haushuhn, das alte Geroldsgeschlecht, am Schluß seiner langen Erdenlaufbahn ausgebrütet hat! Wir sind schon als Kinder in ein besonderes Fahrwasser gelaufen, ich, der Träumer, der Grübler und Sterngucker, und du, die Nachtigall mit der süßen Goldkehle, die Huldgestalt mit dem sinnigen Tun und Wesen. Und nun kommst du zu dem zerstreuten Menschen und Bücherwurm, der ich bin, und möchtest dich mit ihm im Eulenhaus verkriechen.« Er schüttelte energisch den Kopf. »Nicht bis zur Schwelle des alten Hauses gehst du mit, Klaudine! Fahre du nur mit dem Wagen wieder heim! Meine Beine sind steif geworden vom stillen Hocken in diesem Winkel, wohin ich mich vor dem Menschentrubel geflüchtet habe, der Marsch nach dem Eulenhaus wird ihnen gut tun, und mein Kind wird der Friedrich, unser alter, treuer Friedrich tragen, wenn die Beinchen müde werden sollten. Und nun ein kurzes Lebewohl, Klaudine!«

Er breitete die Arme aus, um die Schwester abschiednehmend zu umfangen, aber sie wich zurück.

»Wer sagt dir denn, daß ich wieder zurück kann?« fragte sie ernst. »Ich habe um meine Entlassung gebeten, und sie ist mir gewährt worden. Meine teure, alte Hoheit hat mich verstanden, und ohne daß auch nur eine Frage von ihrer Seite gefallen wäre, weiß sie genau, wie die Sachen liegen. Und so sei auch du diskret, Joachim« – ein tiefes, dunkles Rot überflutete jäh ihr Gesicht – »und lasse neben meinem Wunsche, bei dir zu sein, auch noch ein anderes Motiv für meine Heimkehr stillschweigend gelten. Nimm mich hin, wie ich zu dir komme, mit verschlossenem Mund, aber das Herz voll treuer Schwesterliebe. Willst du?«

Er zog sie schweigend an sich und küßte sie auf die Stirn.

Sie atmete tief auf.

»Schmale Kost werden wir freilich haben«, sprach sie weiter, »aber Bettelbrot ist's drum doch nicht! Die Hoheit läßt es sich nicht nehmen, mir mein Gehalt nach wie vor auszuzahlen, und das Legat von der Großmama wirft jährlich auch eine hübsche kleine Summe ab. Verhungern werden wir mithin nicht, und mit jagenden Pulsen darfst du in Zukunft auch nicht schreiben – das leide ich nicht! In ungestörter Ruhe, zu deinem eigenen Genusse sollst du dein schönes Werk vollenden. Und nun wollen wir uns fertig machen!«

Ihre Augen glitten durch das kahle Zimmer und blieben an einem kleinen Koffer hängen.

»Ja, das ist alles, was ich von Rechts wegen mitnehmen darf«, sagte Herr von Gerald, ihren Blick verfolgend. »Just nicht viel mehr, als der letzte Stammhalter der Gerolds bei seinem Eintritt ins Leben unwissentlich beansprucht hat – die allernötigste Bekleidung eines Leibes. Doch nein – was für ein schwarzer Undank!« Er schlug sich vor die Stirn, und seine Augen leuchteten glücklich auf. »Höre, Klaudine, wie ist das doch seltsam! Besinne dich! Kennst du vielleicht einen Freund unseres Hauses, so einen, der unbedenklich zweitausend Taler mit der Rechten aus der Tasche nimmt und hingibt, ohne daß die Linke es merkt? Ich kenne keinen, wie ich auch sinne und mein Gedächtnis zermartere, keinen auf der Gotteswelt! Und da werden mir nun gestern einige Kisten hier nebenan in das Zimmer gestellt, so wie mit Fug und Recht, denn ich sollte sie ja in der Auktion durch einen Bevollmächtigten zurückerstanden haben – ich, der arme Hiob! Ich glaube, ich habe den Trägern ins Gesicht gelacht. Aber sie sind gegangen und haben sie mir absolut nicht wieder abgenommen, meine Bücher, meine kleine, kostbare Bibliothek, um die mir die Augen doch feucht geworden sind, als profane Hände sie, Band um Band, in Waschkörbe warfen, um sie zur Versteigerung hinüberzuschaffen, meine lieben Bücher und treuen Einsamkeitsgenossen! Wer sie mir aus dem Schiffbruch gerettet hat, er mußte es wissen, daß er mir geistigen Lebensodem und einen festen Stab zur Wanderung in die Wüste mit ihnen zurückgegeben hat, und dafür sei er dreifach gesegnet, der edle Unbekannte mit dem goldenen Herzen! Ja, nicht wahr, auch du sinnst vergebens, Klaudine? Gib es auf, das Rätsel lösen wir beide nicht!«

Er schob sein Manuskript in die bereitliegende Mappe, und Klaudine packte die Habseligkeiten der kleinen Elisabeth in eine Korbwanne, wobei die dicken Händchen des Kindes nach Kräften behilflich waren.

Zehn Minuten später stand auch dieser letzte Zufluchtsort des Heimatlosen verlassen und er durchschritt, das Händchen seines Kindes in der seinen und die Schwester am Arme führend, den nächsten Korridor.

Ein schöneres Geschwisterpaar ließ sich kaum denken als diese zwei Menschen, die umflorten Blickes zum letztenmal das Vaterhaus durcheilten, das heimische Nest, an dem die Gerolds Jahrhunderte hindurch gebaut und verschönert hatten, und in welches nun fremde Vögel einflogen, Vögel mit goldenen Federn, denn das Gut war um sehr hohen Preis von unbekannter Seite erstanden worden.

2

Im Treppenhause stießen sie auf eine Dame, die aus dem Seitenflügel kam, in welchem die Versteigerung stattfand. Sie nahm eben, besorgt und sichtlich unwillig vor sich hinmurmelnd, den Saum ihres braunen Kleides auf, denn auf den Stufen lag dicker Staub, den in all den Tagen des lebhaften Menschenverkehrs kein Besen weggefegt haben mochte. Die Röte eines jähen Erschreckens färbte ihr Gesicht, als sie aufblickend die beiden vor sich sah.

»Ah, Verzeihung!« sagte sie mit einer tiefen, unbiegsamen Stimme, indem sie zurücktrat. »Ich versperre Ihnen den Weg!«

Herr von Gerold sah einen Augenblick aus, als schwebe es ihm auf den Lippen, zu sagen: »Muß ich auch noch diesen Kelch leeren?« Aber er bezwang sich und entgegnete mit einer höflichen Verbeugung: »Der Weg aus diesem Hause steht uns allzuweit offen, ein Augenblick der Verzögerung kann uns nur lieb sein.«

»Es ist ja ein ganz schauderhafter Schmutz auf dieser Treppe – nein, wirklich empörend!« polterte die Dame, als habe sie seine Antwort gar nicht gehört, und schüttelte abermals an ihren Röcken. »Ich gehe deshalb nie zu einer Versteigerung, grundsätzlich nicht – was muß man da für alten Staub schlucken! Aber Lothar ließ mir ja keine Ruhe, er schrieb mir zweimal dringend, und da mußte ich wohl oder übel herüberfahren, um das Silbergeschirr zu erstehen. Er wird sich wundern – bis zu einer erstaunlichen Summe bin ich gesteigert worden.«

»Um meiner Großmama willen bin ich deinem Bruder dankbar für den Ankauf, Beate – ihr ganzes Herz hing an den alten Erbstücken«, sagte Klaudine.

»Nun ja, wie konnte er anders? Wir haben ja die andere Hälfte dieser Erbstücke und dürfen doch nicht leiden, daß unser Wappen auf den ersten besten Protzentisch kommt«, entgegnete die Dame achselzuckend. »Aber wäre es nicht zuerst an dir gewesen, Klaudine, das Silberzeug eben um deiner Großmama willen zu retten? Wenn ich nicht irre, hat sie dir ja besonders einige tausend Taler vermacht.«

»Ja, einen Notpfennig, wie es im Testament steht. Meine praktische Großmama wäre die erste, die mir zürnte, wenn ich das Vermächtnis geopfert und Silber, aber kein Brot im Schranke hätte!«

»Kein Brot? Du, Klaudine, du, die stolze, verwöhnte Hofdame?«

»War ich je stolz?« Sie schüttelte hold lächelnd den Kopf. »Und verwöhnt? Nun ja, das will ich glauben! Am Hofe lernt man nicht arbeiten.«

»Das hast du schon vorher gekonnt, Klaudine«, fuhr die Dame heraus. »Das heißt –« suchte sie sich hastig zu verbessern, aber es kam kein Nachsatz.

»Sprich nur weiter, du hast ja recht«, sagte Klaudine gelassen. »Die Art Arbeit, die du meinst, lernt man auch im Institut nicht. Aber ich will es nunmehr versuchen, ich will Hausfrau werden in meinem alten Eulenhaus.«

»Du willst doch nicht sagen –«

»Daß ich bei Joachim bleiben werde! Allerdings. Braucht er nicht jetzt doppelt Liebe und schwesterliche Hingebung?« Sie schmiegte sich fester an den Bruder und sah zärtlich zu ihm auf.

In das bläßliche Gesicht der Dame schoß eine dunkle Blutwelle. Sie bückte sich rasch zu der kleinen Elisabeth hinab und wollte ihr die Wange streicheln, aber das Kind sah sie finster und mißtrauisch von der Seite an. »Geh fort, du –« wehrte es die Liebkosung ab.

Herr von Gerold fuhr unwillig empor.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.

This is a free sample. Please purchase full version of the book to continue.