Das Geheimnis der alten Mamsell - Eugenie Marlitt - ebook

Das Geheimnis der alten Mamsell ebook

Eugenie Marlitt

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Opis

Als die Spielersfrau Meta d’Orlowska unter tragischen Um-ständen auf der Bühne stirbt, wird ihre vierjährige Tochter Felicitas von der wohlhabenden Familie Hellwig aufgenommen. Dort hat das Mädchen ein schweres Leben. Vater Hellwig beschützt das Mädchen so gut er kann, und lässt sie wie seine eigenen Kinder von Privatlehrern ausbilden. Doch bald stirbt auch ihr Beschützer, der alte Kommerzienrat. Verständnis und Zuneigung findet die kleine Fee nur bei der alten Mamsell, einer ihrerseits von der bigotten Gesellschaft ausgeschlossenen Ver-wandten der Familie, die abgetrennt von der Welt im Dach-geschoss des Hauses in einem freundlichen, kunstliebenden kleinen Reich lebt. Felicitas schließt innige Freundschaft mit der alten Dame, die zum einzigen Halt des Mädchens wird. Doch die Mamsell umgibt ein Geheimnis, das um jeden Preis bewahrt werden muss...

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Eugenie Marlitt

Das Geheimnis der alten Mamsell

Warschau 2018

Inhalt

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»Na, jetzt sag mir nur um Gotteswillen, wo willst du eigentlich hin, Hellwig?«

»Direkt nach X., wenn du erlaubst!« klang es halb trotzig, halb spöttisch zurück.

»Aber dahin geht es doch in seinem ganzen Leben nicht über eine Anhöhe! . . . Du bist nicht gescheit, Hellwig . . . Heda, ich will aussteigen! Ich habe durchaus keine Lust, mich umwerfen zu lassen und meine heilen Knochen einzubüßen – wirst du wohl halten?«

»Umwerfen? Ich?... I, das wäre doch das erste Mal in meinem Leben« – wollte er vermutlich sagen, aber ein entsetzlicher Krach erfolgte, und mit demselben verstummten die Lippen des Sprechenden wie die eines Toten. Das Schnauben und Stampfen eines Pferdes wurde für einen Augenblick hörbar; dann stand das Tier auf seinen vier Hufen und jagte wie rasend querfeldein.

»Na, da haben wir die Bescherung!« brummte endlich der erste Sprecher, indem er sich auf dem nassen, frisch gepflügten Ackerfelde aufsetzte. »He, Hellwig, Böhm, seid ihr noch am Leben?«

»Ja,« rief Hellwig nicht weit von ihm und tastete suchend auf den triefenden Erdschollen nach seiner Perücke. Alles Selbstvertrauen, aller Spott waren wie weggeblasen von dieser schwachen Stimme. Auch das dritte Opfer versuchte es zunächst mit einer Bewegung auf allen vieren, wobei es entsetzlich fluchte und stöhnte; denn seine gewaltige Korpulenz fühlte sich unwiderstehlich zur Mutter Erde hingezogen. Endlich war die edle Stellung, die den Menschen als die bevorzugteste Kreatur in Gottes weiter Schöpfung kennzeichnet, wiedergewonnen; die drei Gefallenen standen auf ihren Füßen und besannen sich, was eigentlich geschehen sei, und was nun geschehen müsse.

Fürs erste lag die kleine Chaise, in welcher die drei Herren heute morgen ihr Vaterstädtchen X. verlassen hatten, um zu jagen, umgestürzt neben der unglückseligen Anhöhe und zeigte dem Himmel ihre vier Räder, wie die drei tastend bemerkten; der Hufschlag des entfliehenden Rappen war längst verhallt, und eine stockfinstere Nacht bedeckte die traurigen Folgen des Hellwigschen Selbstvertrauens.

»Na, hier übernachten können wir nicht – das steht fest. Machen wir, daß wir fortkommen!« mahnte endlich Hellwig mit ermutigter Stimme.

»Ja, nun kommandiere auch noch!« grollte der Dicke, indem er sich heimlich überzeugte, daß nicht eine seiner Rippen, sondern die Scherben seines schönen Pfeifenkopfes das beängstigende, knirschende Geräusch an seiner Herzwand verursachten. »Kommandiere auch noch, das steht dir gut an, nachdem du um ein Haar in deinem schandbaren Leichtsinn zwei Familienväter gemordet hättest . . . Uebernachten will ich freilich nicht in dieser Löwengrube; aber nun siehe du auch, wie du Rat schaffst . . . Nicht zehn Pferde bringen mich ohne Licht von dieser Stelle! Ich versinke zwar im Ackerschlamme, und von da drüben her kommt eine Luft, die mir für ein halbes Jahr meinen Rheumatismus in die Knochen jagt – da drein ergebe ich mich, du magst es verantworten, Hellwig. Aber ich werde nicht so verrückt sein, mir mutwillig in den tausend Löchern und Gräben, die diese gesegnete Gegend aufzuweisen hat, Arme und Beine zu brechen oder die Augen einzuschlagen.«

»Sei kein Narr, Doktor,« sagte der dritte. »Du kannst nicht wie ein Meilenzeiger abwechselnd auf einem Beine hier stehen und abwarten, bis Hellwig und ich in die Stadt tappen und Hilfe holen. Ich hatte längst gemerkt, daß dieser ausgezeichnete Rosselenker zu viel nach links fuhr. Wir gehen jetzt schnurstracks über den Acker nach rechts und kommen an den Fahrweg, dafür stehe ich ein. Und nun komm und mache keine Flausen; denk an Weib und Kind, die vielleicht jetzt schon jammern und schreien, weil du bei der Abendsuppe fehlst.«

Der Dicke brummte etwas von»heilloser Wirtschaft« in den Bart; aber er verließ seinen Posten und tappte mit den anderen vorwärts. Das war ein schreckliches Stück Arbeit! Faustdick hingen sich Erdsohlen an die Jagdstiefeln, und hier und da sank ein unsicher tappender Fuß mit aller Vehemenz in eine Pfütze, deren alterierter Wasserspiegel sich sofort in Fontänenform über die Köpfe und Flausröcke der drei Unglücklichen ergoß. Sie erreichten aber doch ohne ernstlichen Unfall den Fahrweg, und nun wurde tapfer und wohlgemut drauf losgeschritten. Selbst der Doktor gewann allmählich seine gute Laune wieder; er brummte mit einem fürchterlichen Basse: »Zu Fuß sind wir gar wohl bestellt, juchhe!« &c.

In der Nähe der Stadt tauchte ein Licht aus der Finsternis auf; es kam in stürmischer Eile auf die Wandernden zu, und Hellwig erkannte alsbald in dem breiten, fröhlich lachenden Gesicht, das sich in greller Beleuchtung über die Laterne erhob, seinen Hausknecht Heinrich.

»Ja, herrje, Herr Hellwig, sind Sie's denn wirklich?« schrie der Bursche. »Die Madame denkt, Sie liegen mausetot da draußen!«

»Woher weiß denn meine Frau schon, daß wir Unglück gehabt haben?«

»Ja, sehen Sie, Herr Hellwig, da ist heute abend eine Kutsche mit Spielern angekommen« – der ehrliche Bursche hatte für Schauspieler, Taschenspieler, Seiltänzer und dergleichen nur diese eine Rubrik – »und wie die Kutsche in den Löwen eingefahren ist, da war das Beest, unser Rappe, hintendran, als ob er dazu gehörte. Der Löwenwirt kennt ihn ja, unseren Alten, und hat ihn gleich selbst gebracht . . . Na, aber der Schreck von der Madame! Sie hat mich gleich fortgeschickt mit der Laterne, und Friederike muß einen Kamillenthee kochen.«

»Kamillenthee?... Hm, ich meine, ein Glas Glühwein oder wenigstens ein Warmbier wäre vielleicht zweckmäßiger gewesen.«

»Ja, das meinte ich auch, Herr Hellwig; aber Sie wissen ja, wie die Madame –«

»Schon gut, Heinrich, schon gut. Jetzt gehe du voran mit der Laterne. Wir wollen machen, daß wir heimkommen.«

Auf dem Marktplatze trennten sich die drei Leidensgefährten mit stummem Händedrucke; der eine, um pflichtschuldigst seinen Kamillenthee zu trinken, und die anderen in dem niederschlagenden Bewußtsein, daß ihrer eine Gardinenpredigt daheim warte. Denn die Frauen waren der »noblen Passion« ihrer Eheherren ohnehin nicht hold, und nun lag die Jagdbeute, das einzige Beschwichtigungsmittel, zerquetscht draußen unter der umgestürzten Chaise, und das mit zähem Schlamme bedeckte Jagdkostüm verwandelte sicherlich schon die erste Umarmung in einen jähen Zornausbruch.

Am anderen Morgen klebten an allen Straßenecken rote Zettel, welche die Ankunft des berühmten Eskamoteurs Orlowsky und seine ausgezeichneten Kunstleistungen ankündigten, und eine junge Frau ging von Haus zu Haus, um Billets zu den Vorstellungen anzubieten . . . Sie war sehr schön, diese Frau, mit ihrem prächtigen, blonden Haare und der imposanten Gestalt voll Adel und Anmut; aber das liebliche Gesicht war blaß, »blaß wie der Tod«, sagten die Leute, und wenn sie die goldig bewimperten Lider hob, was nicht häufig geschah, da brach ein rührend sanfter, aber thränenvoller Blick aus den dunkelgrauen Augensternen.

Sie kam auch in Hellwigs Haus, das stattlichste am Marktplatz.

»Madame,« rief Heinrich in das Zimmer im Erdgeschosse, während er den hellpolierten Messingknopf an der glänzend weißen Thür in der Hand behielt, »die Spielersfrau ist draußen!«

»Was will sie?« rief eine weibliche Stimme streng zurück.

»Ihr Mann spielt morgen, und da möchte sie gern eine Karte an die Madame verkaufen.«

»Wir sind anständige Christen und haben kein Geld für solche Faxereien – schick sie fort, Heinrich!«

Der Bursche schloß die Thür wieder. Er kratzte sich hinter den Ohren und machte ein sehr verlegenes Gesicht; denn die »Spielersfrau« mußte ja jedes Wort gehört haben. Sie stand auch einen Augenblick wie zusammengebrochen vor ihm: eine fliegende Röte war in ihr bleiches Gesicht getreten, und ein schwerer Seufzer hob ihre Brust . . . Da wurde leise ein kleines Fenster geöffnet, das in die Hausflur mündete; eine unterdrückte Männerstimme verlangte ein Billet – es wurde in Empfang genommen, und ein harter Thaler glitt dafür in die Hand der jungen Frau. Ehe sie nur aufblicken konnte, war der Fensterflügel wieder geschlossen, und ein grüner Vorhang hing in dichten, undurchdringlichen Falten hinter den Scheiben. Heinrich öffnete mit einem linkischen Kratzfuße und gutmütig lächelnd die Hausthür, und die Frau schwankte hinaus, schwankte weiter auf dem Wege voller Dornen und Stacheln.

Der Hausknecht nahm ein Paar blankgewichster Stiefel, die er vorhin bei dem Erscheinen der Frau niedergesetzt hatte, wieder auf und trat in das Zimmer seines Herrn, der sich uns jetzt im vollen Tageslichte als einen kleinen, älteren Mann mit einem mageren, blassen, aber unendlich gutmütigen Gesicht zeigt.

»Ach, Herr Hellwig,« meinte Heinrich, nachdem er die Stiefel an den gehörigen Platz gestellt hatte, »das war wirklich recht schön, daß Sie eine Karte gekauft haben! Die arme Frau sieht ja aus wie 's Leiden Christi; sie dauert mich, und wenn zehnmal ihr Mann sein Brot nicht ehrlich verdient . . . Er hat hier so kein Glück – denken Sie einmal an mich, Herr Hellwig!«

»Warum denn nicht, Heinrich?«

»Ja, weil der Racker, unser Rappe, sich wie eine Klette an den Wagen gehängt hat, wie er zum Thore hereingefahren ist – das bedeutet nichts Gutes – das Unglücksvieh kam ja justament von einem Unglücksplatze . . . Passen Sie mal auf, Herr Hellwig, was ich gesagt habe, die Leute haben kein Glück!«

Er schüttelte seinen dicken Kopf und ging, da sein Herr aus die Prophezeiung hin weder ein Für noch Wider verlauten ließ, wieder in die Hausflur, um die Strohmatte vor der Thür der strengen Madame regelrecht zu plazieren; die fremde Frau hatte unbewußt mit dem Fuße daran gestoßen.

2

Der Rathaussaal war gedrängt voll Zuschauer, und immer noch strömten die Menschen die Treppe herauf. Heinrich stand im dichtesten Gedränge und suchte sich schimpfend Luft zu machen mittels derber Püffe und heimlicher Attacken auf die Hühneraugen seiner Nächsten. »Herr Jesus, wenn das die Madame wüßte, das gäb' ein Donnerwetter! – Der Herr müßte gleich morgen in aller Frühe zur Beichte,« flüsterte er vergnüglich schmunzelnd einem Nachbar zu, indem er seinen schwieligen Zeigefinger nach einem der erhöhten Sitze an der Seitenwand des Saales ausstreckte. Dort saß Herr Hellwig in Gesellschaft seines Leidensgefährten, des Doktor Böhm. Es hatte dem ehrlichen Burschen Mühe genug gekostet, seinen schmächtigen Herrn herauszufinden: denn die Honoratioren waren stark vertreten. Das Programm versprach aber auch lauter neue Wunderdinge, und der Schluß desselben lautete folgendermaßen:

»Madame d'Orlowska erscheint als Schildjungfrau. Sechs Mann Militär werden mit scharfgeladenem Gewehre auf sie schießen, und sie wird mit einem Hiebe ihres Schwertes die sechs Kugeln in der Luft zerhauen.«

Die Bewohner von X. waren hauptsächlich gekommen, um sich von der Wahrheit dieses Wunders überzeugen zu lassen. Die schöne, junge Frau hatte das allgemeine Interesse geweckt, und jeder mochte gern wissen, wie sie wohl aussehe, wenn sie die Feuerrohre auf sich gerichtet wüßte . . . Es gelang übrigens auch dem Taschenspieler, die Aufmerksamkeit des Publikums für seine Kunstleistungen zu gewinnen. Er war, was die Frauen einen interessanten Mann zu nennen pflegen. Mittelgroß, von schlanker, biegsamer Gestalt, mit regelmäßigen, aber bleichen Zügen, braunen Locken und ausdrucksvollen Augen, zeigte er sehr elegante Manieren, und sein eigentümlich klingendes Deutsch, das ihn als den Sohn jenes unglücklichen, auseinander gerissenen Volkes kennzeichnete, machte ihn noch anziehender . . . Das alles war aber sofort vergessen, als die annoncierten sechs Soldaten unter Kommando eines Unteroffiziers aufmarschierten. Ein Geräusch entstand im Publikum, wie das Tosen einer Brandung – dann folgte plötzlich bängliche Stille.

Der Pole trat an einen Tisch und machte die Patronen angesichts des Publikums. Mit einem Hammer klopfte er auf jede einzelne Kugel, um die atemlosen Zuschauer durch den Klang zu überzeugen, daß es wirkliche, zweilötige Gewehrkugeln seien. Dann gab er jedem der Soldaten eine Patrone und ließ vor den Augen des Publikums laden . . . Der Taschenspieler klingelte.

Gleich darauf trat die Frau hinter einem breiten Schirme hervor. Sie schritt langsam seitwärts und stellte sich den Soldaten gegenüber. Es war eine wundervolle Erscheinung, den linken Arm deckte der Schild und in der Rechten hielt sie das Schwert. Ein weißes Gewand floß in reichen Falten auf die Füße nieder; um die Hüften legten sich silberglänzende Schuppen, und ein strahlender Harnisch deckte die herrliche Büste . . . Was war aber all dieser Glanz gegen den matten Goldschimmer der Haarwellen, die unter dem Helme hervorquollen und fast bis auf den Saum des Gewandes herabfielen!

Das bleiche, schwermütige Gesicht richtete den traurigen Blick auf die Mündungen der todbringenden Waffen, die hinüber starrten. Keine Wimper zuckte. Nicht die leiseste Bewegung war an dem leicht wallenden Gewande zu bemerken – sie stand dort wie ein Steinbild . . . Das letzte Kommando schallte durch den totenstillen Saal; die sechs Schüsse krachten wie aus einem Rohre – sausend durchschnitt das Schwert die Luft, und zwölf halbe Kugeln rasselten auf den Boden.

Einen Augenblick noch sah man die hohe Gestalt der Schildjungfrau unbeweglich stehen – der Pulverdampf verwischte ihre Züge, und nur matt schimmerte die Rüstung durch die Wolke . . . dann schwankte sie plötzlich, Schild und Schwert sanken klirrend zu Boden, mit der Rechten griff sie, wie nach einem Halt suchend, krampfhaft zuckend in die Luft und taumelte mit dem herzzerreißenden Schrei: »O Gott, ich bin getroffen!« in die Arme ihres herbeieilenden Mannes . . . Er trug sie hinter den Schirm und stürzte gleich darauf wie ein Rasender auf die Soldaten zu.

Sie hatten sämtlich die Weisung erhalten, beim Laden der Gewehre die Kugeln abzubeißen und im Munde zu behalten, das war das ganze Wunder. Einer derselben jedoch, ein ungelenkes Bauernkind, hatte, völlig verwirrt durch den Anblick der versammelten Menschenmenge, in jenem verhängnisvollen Momente den Kopf verloren – als die fünf anderen auf den leidenschaftlich herausgestoßenen Befehl des Taschenspielers die Kugeln sofort aus dem Munde holten, da brachte er zu seinem eigenen Entsetzen ein wenig Pulver zum Vorschein – seine Kugel hatte die unglückliche Frau durchbohrt.

Die Züge des Polen verzerrten sich bei diesem Ergebnis in Schmerz und Verzweiflung, und er schlug, ganz außer sich, den unfreiwilligen Verbrecher ins Gesicht.

Augenblicklich entstand eine unglaubliche Verwirrung im Saale. Mehrere Damen wurden ohnmächtig, und zahllose Stimmen schrieen nach einem Arzte. Doktor Böhm aber, der den Vorfall schneller begriffen hatte, als alle anderen, war schon längst hinter dem Schirme bei der Verwundeten. Als er endlich mit erblaßtem Gesichte wieder hervortrat, sagte er leise zu Hellwig. »Muß ohne Gnade sterben, das arme, prächtige Weib!«

Eine Stunde später lag die Frau des Taschenspielers auf einem Bette im Gasthofe »zum Löwen«. Man hatte sie auf einem Sofa aus dem Saale getragen; Heinrich war einer der Träger gewesen. »Na, Herr Hellwig, habe ich recht oder unrecht mit dem Unglücksvieh, dem Rappen?« hatte er seinen Herrn im Vorübergehen gefragt, und dabei waren ihm dicke Thränen über die Backen gelaufen.

Die Frau lag still, mit geschlossenen Augen da. Ihre entfesselten Haare fielen in einzelnen Strähnen über die weißen Kissen und den Bettrand hinab, und die goldigen Spitzen ringelten sich auf dem dunklen Fußteppich . . . Vor dem Bette kniete der Taschenspieler; die Hand der Verwundeten ruhte auf seinem Kopfe, den er tief eingewühlt hatte in die Bettdecke.

»Schläft Fee?« flüsterte die Frau fast unhörbar, während sie mühsam die Lider öffnete.

Der Taschenspieler hob den Kopf und nahm die bleiche Hand zwischen die seinigen.

»Ja,« murmelte er mit schmerzverzogenen Lippen. »Die Tochter des Hauses hat sie mitgenommen in ihr Schlafzimmer; sie liegt dort in einem weißen Bettchen – unser Kind ist gut aufgehoben, Meta, mein süßes Leben!«

Die Frau blickte mit einem unaussprechlichen Ausdrucke innerer Leiden auf ihren Mann, dem die Verzweiflung aus den Augen glühte.

»Jasko – ich sterbe!« seufzte sie.

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