Sinner - Julia Brylewska - ebook

Sinner ebook

Brylewska Julia

5,0

Opis

»… denn war dies nicht das Ende aller schönen Geschichten, in denen die Prinzessin es wagte, ein Monster zu lieben?«

Ein Moment der Unachtsamkeit zerstört die glückliche Zukunft von Hailey und Victor. All die Hoffnungen und Pläne für ein gemeinsames Leben sind mit einem Schlag wie ausradiert. Zurück bleiben nur Dunkelheit und Leere …

Das Mädchen muss sich ihrer Einsamkeit stellen und Victors Platz in der Firma einnehmen. Plötzlich ist sie es, die sich mit den Dämonen der Vergangenheit konfrontiert sieht. Nach und nach kommt Hailey all den Geheimnissen auf die Spur, die Victor so sorgfältig vor ihr verborgen gehalten hat. Sie wird selbst Teil der Tragödie, die der Familie Sharman vor vielen Jahren widerfahren ist.

Gibt es auch nur den Hauch einer Chance, dass sie den Mann zurückbekommt, dem sie einst ihr Herz geschenkt hat? Oder ist ihre Liebe für immer verloren?

Eines ist sicher: Für Victor Sharman ist die Zeit gekommen, für seine Sünden zu büßen …

Das große Finale der »Inferno«-Trilogie!

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Inhaltsverzeichnis
Buchinfo
Zitat
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Sinner. Inferno 3« im Verlag Wydawnictwo Niezwykłe, Oświęcim
© 2021 by Julia Brylewska Für die deutsche Erstausgabe © 2024 by Rubino Books, Imprint von Legimi [email protected] Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Übersetzung: Magdalena Chrobok
Redaktion und Korrektorat: Ineke Reichel, Magdalena Chrobok, Karin Lipski
Umschlaggestaltung: Marcin Skrzypczak, www.grafiduo.pl
ISBN 978-83-67280-71-6
E-Book erstellt von eLitera s.c.

Das schlimmste Schicksal eines Menschen ist, allein leben und sterben zu müssen, ohne zu lieben und geliebt zu werden.

Paulo Coelho, Und die Liebe hört niemals auf

PROLOG

Alfie Meyer brachte sich oft in Schwierigkeiten. Es lag ihm förmlich im Blut. Ganz so, als hätte der Teufel selbst ihm diese Fähigkeit bei der Geburt mitgegeben. Vielleicht war dies sein Schicksal: zu zerstören und schließlich selbst zerstört zu werden.

Daran dachte er, als er über den Zaun sprang, der das Kinderheim von dem riesigen Anwesen der Sharmans trennte. Sie waren einst wie eine Familie für ihn gewesen – die Familie, die er nie gehabt hatte. Doch jetzt schien diese Zeit zu weit entfernt zu sein, als dass Alfie sich daran hätte erinnern können. Nichts, was schön war, blieb lange bei ihm.

Er kannte den Garten so gut, dass er sich selbst in der dichten Dunkelheit der Nacht problemlos darin zurechtfand. Als er einen der drei hohen Bäume erreichte, kletterte er geschickt hinauf und versteckte sich zwischen den Blättern. Er machte es sich auf einem Ast bequem und holte eine Zigarettenschachtel aus seiner Jackentasche hervor.

In seinem bisherigen Leben hatte er schon viele unerlaubte Dinge getan, aber geraucht hatte er bisher noch nie. Zumindest bis Michael Sharman seinen Weg gekreuzt und sein gebrochenes, leeres Herz gestohlen hatte, sodass Alfie bereit gewesen war, in eine andere Sucht zu verfallen, nur um wenigstens eine Gemeinsamkeit mit ihm zu haben. Er hatte sich nicht sofort in Michael verliebt – vielleicht wusste er auch gar nicht, dass das, was er bei der ersten Begegnung mit ihm empfunden hatte, Liebe war.

Alfie hatte nie geliebt und war auch nie geliebt worden. Seine Eltern hatten ihn wie einen streunenden Hund ausgesetzt, der sich als nicht hübsch genug erwies, um als Haustier zu dienen. Die Kinder im Waisenhaus mochten ihn ebenso wenig wie die Betreuer, die meist so taten, als gäbe es den Jungen gar nicht – zumindest bis er wieder in Schwierigkeiten geriet ...

Alle hatten ihn abgeschrieben, als wäre er nicht einmal einen Funken Hoffnung wert. Und vielleicht lagen sie damit auch gar nicht so falsch.

Er zündete sich eine Zigarette an, inhalierte den Rauch, drehte dann den Kopf und blickte auf den See. Der helle Vollmond spiegelte sich in der schwarzen Wasseroberfläche. Sein Schein beleuchtete zwei Gesichter, die für andere gleich aussehen mochten, aber nicht für ihn.

Die Sharman-Brüder waren sehr unterschiedlich, auch wenn ihr Äußeres es den Leuten manchmal unmöglich machte, sie auseinanderzuhalten. Doch Alfie war sogar jetzt, in dieser Dunkelheit, in der Lage, genau das zu tun.

Es war nicht nur die Tatsache, dass Victor ihn aufrichtig hasste und Michael der einzige Mensch auf der Welt war, der ihm wenigstens ein bisschen Vertrauen – das er ganz sicher nicht verdiente – entgegenbrachte.

Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Es gab viele Dinge, vor denen er sich fürchtete, aber der Anblick des schwarzen Wassers, das aussah, als beherberge es alles Übel dieser Welt unter seiner Oberfläche, machte ihm auf unerklärliche Weise Angst. Er konnte sich nicht nähern, selbst wenn er es gewollt hätte.

Er beobachtete aufmerksam, wie die beiden Brüder mit dem Boot auf den zugewachsenen See hinausruderten. Er war kein Spanner, aber die Familie Sharman hasste ihn mittlerweile so sehr, dass Treffen mit Michael schwierig geworden waren. Er war in ihrem Haus nicht mehr willkommen. Also schlich er sich gelegentlich in den Garten und beobachtete ihn aus einem Versteck heraus, damit er sich zumindest für einen Augenblick nicht ganz allein auf dieser Welt fühlte.

Alfie genoss diese Momente, auch wenn sie nie sehr lange andauerten und sein Herz nicht länger als ein paar Stunden zufrieden stellen konnten. Er hatte sich nicht in einen der Zwillingsbrüder verlieben wollen, und wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, würde er alles dafür tun, um dies zu verhindern.

Liebe war eine Kostbarkeit, die sich Leute wie er nicht leisten konnten, und Michael Sharman war jemand, der für ihn unerreichbar war. Alfie war nichts weiter als eine traurige, verlorene Seele ohne Familie und mit einer eher trostlosen Zukunft. Wohingegen jemandem, der den Nachnamen Sharman trug, von Geburt an alle Türen offen standen. Die Sorte Mensch, die vom Glück geradezu verfolgt wurde. Also nutzte er diese unbeobachteten Momente, wann immer er konnte; auch wenn sie flüchtig und äußerst selten waren.

Seine Beziehung zur Familie Sharman war nicht immer so schwierig gewesen. Als er in jungen Jahren aus dem Waisenhaus weglief und sich im Zimmer eines der Brüder versteckte, deckte Victor ihn mehrere Tage lang, brachte ihm Essen und gab ihm frische Kleidung. Im Waisenhaus hatte er nur ein übergroßes T-Shirt und zu kurze Hosen. Victor war sein erster wahrer Freund gewesen und gleichzeitig derjenige, den er am frühesten wieder verloren hatte. Flora und Arthur Sharman schenkten ihm ihre Liebe, die er nicht verdiente und die er auch nicht erwidern konnte, weil ihm niemand beigebracht hatte, wie man liebte. Oder zumindest nicht, wie man auf die richtige Art und Weise liebte.

Später verriet er sie. Erst führte er ihren geliebten Sohn auf die schiefe Bahn, dann raubte er sie aus, um an etwas Geld zu kommen, das er hauptsächlich für Alkohol und Drogen ausgab. Alfie Meyer wurde geboren, um zu zerstören. Es lag in seiner Natur, und selbst wenn er es versuchen würde, so würde er diese Eigenschaft niemals loswerden. Und so hatte er schließlich akzeptiert, dass er der Bösewicht in der Geschichte der Familie Sharman war ...

Er rauchte die Zigarette fertig, drückte sie an einem feuchten Ast aus und blickte noch einmal zum See hinüber. Er schluckte mühsam und bemerkte das breite Lächeln auf Michaels Gesicht. Sein Lachen hallte durch den ganzen Garten und ließ das Herz des Jungen höherschlagen, voller Sehnsucht und Schmerz.

Erste Regentropfen fielen auf Alfies Gesicht und rissen ihn aus seinen Gedanken. Er hob den Kopf und sah dunkle Gewitterwolken am Horizont aufziehen, die einen bevorstehenden Regenschauer ankündigten.

Es war einer dieser Momente, die unwiederbringlich vorbei waren, die eine Leere und seltsame Vorahnung zurückließen.

Er wollte schon vom Baum auf das weiche Gras herunterspringen, als er ein lautes Platschen hörte. Mit einer Hand hielt er sich am Ast fest, die andere stützte er auf seinem Knie ab. Er drehte sich noch einmal um, ehe ein heftiger Regen niederging und der erste Donner eines aufkommenden Gewitters über seinem Kopf widerhallte.

Nur einer der Brüder war noch auf dem Boot ...

KAPITEL 1

Die traurige Melodie von Bohemian Rhapsody erreichte sie wie durch einen Nebel. Die Worte waren jedoch so klar, dass sie die Stimme von Freddie Mercury erkennen konnte, der, begleitet vom Klavier, von der verpassten Chance auf ein glückliches Leben sang.

Langsam öffnete sie ihre trockenen Lippen. Der Schmerz drang in ihre Schläfen ein und strahlte über die gesamte Wirbelsäule bis zu ihren Zehen hinunter. Sie stöhnte und wagte es nicht, sich zu bewegen. Als sie schluckte, nahm sie den metallischen Geschmack von Blut wahr.

»Victor.« Ein schwaches, heiseres Flüstern drang aus ihrer Kehle.

Doch nur Freddie Mercury antwortete ihr, der das ikonische Lied mit den berühmten Schlussworten »Nothing really matters to me.« beendete. Wenige Sekunden später erklangen wieder die ersten Töne desselben Liedes.

Hailey hoffte, dass das alles nur ein Albtraum war, aus dem sie bald erwachen würde. Heiße Tränen liefen ihr über die Wangen. Ihr Körper wurde immer wieder von einem so starken Schmerz durchbohrt, dass sie kaum Luft bekam.

Erst nach einer Weile öffnete sie ihre Augen, schloss sie jedoch schnell wieder. Das grelle Licht der Scheinwerfer traf sie mit einer Wucht, die ihren Körper erschaudern ließ. Hailey legte den Kopf in den Nacken, sodass er gegen die Kopfstütze des Sitzes stieß. Sie biss sich auf die Unterlippe und stemmte sich gegen den Schmerz, der ihren Hals durchbohrte und durch die angespannten Muskeln ihres Bauches, durch ihre Schultern und Arme jagte.

Langsam bewegte sie ihre Zehen. Sie spürte das weiche Material des Airbags und die Glassplitter, die ihre Haut zerschnitten hatten, unter ihren Füßen. Sie versuchte, im Geiste bis drei zu zählen und ihre Kräfte zu bündeln, aber jedes Mal, wenn sie dabei war, sich zu konzentrieren, schien Freddie Mercury seine Tonlage zu erhöhen und noch greller zu singen.

»Halt endlich den Mund«, flehte sie. Sie stand noch so unter Schock, dass sie nicht begriff, dass sie die Worte an eine Radiostimme gerichtet hatte, die ihr gar nicht antworten konnte. Der Schmerz in ihren Schläfen war unerträglich und zusammenhanglose Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum.

Nur beim Refrain öffnete sie ihre Augen für längere Zeit. Das Erste, was sie sah, waren ihre Füße, die von den Splittern der Windschutzscheibe bedeckt waren.

»Vi...« Sie brach ab, als sie den Kopf drehte und den leeren Sitz neben sich bemerkte. Ihre Schultern bebten und ein langgezogener Schrei verließ ihren Mund.

Es ist nur ein Albtraum. Du wirst bald aufwachen und alles wird wieder gut sein. Das war alles, was sie in diesem Moment denken konnte.

Mit zitternder Hand löste sie den Sicherheitsgurt, hob dann ihren Kopf und sah sich um. Bohemian Rhapsody ertönte nicht aus dem Auto, in dem sie saß, sondern aus einem weißen Lieferwagen. Es waren seine Scheinwerfer, die sie blendeten. Das Lied endete, und begann dann wieder von vorne.

Hailey schluckte mühsam und verzog angewidert das Gesicht, als sich ihr Mund erneut mit Blut füllte. Sie blinzelte und versuchte, ihre Augen an das grelle Licht der Autoscheinwerfer zu gewöhnen. Sie spürte jeden Reiz mit doppelter Intensität.

In diesem Moment entdeckte sie ihn. Victor lag auf dem nassen Asphalt, der vor lauter Glassplittern glitzerte. Sein Gesicht war dem schwarzen Himmel zugewandt und seine Brust hob sich nicht.

»Nein!«, keuchte sie, aber ihre Stimme war immer noch so schwach, dass sie ihre eigenen Worte kaum verstehen konnte.

Als das Mädchen mühevoll die Autotür aufdrückte und sich erhob, verteilten sich die Scherben auf dem Boden. Sie zog ihre Stöckelschuhe aus und machte einen Schritt nach vorne, ohne dabei auf die Splitter zu achten, die auf der Straße lagen. Ihre Beine weigerten sich, ihr zu gehorchen, und ein scharfer Schmerz schoss wieder durch ihren Körper.

Sie fiel hin und Glassplitter bohrten sich in die Haut ihrer Hände. Sie spuckte Blut, das so dunkel war, dass es fast schwarz erschien.

»Nein«, flüsterte sie und spürte, dass sie drohte, wieder das Bewusstsein zu verlieren. Hailey drückte ihre Hände fester gegen den rauen Asphalt. Als die Splitter auf ihre Handflächen trafen, ließ der Schmerz sie für einen Moment klar denken.

Sie schaffte es, sich an der Karosserie festzuhalten und aufzustehen. Während sie sich umschaute, merkte sie, dass sie nur wenige Meter von Victor entfernt war. Die Entfernung erschien ihr in diesem Augenblick unvorstellbar groß, doch ihr gelang es, den Schmerz zu ignorieren und sich langsam auf den Mann zuzubewegen. Jeder Schritt kostete sie so viel Energie, dass sie befürchtete, jeden Moment erneut das Bewusstsein zu verlieren.

Sie fiel kurz vor Sharman zu Boden und kroch den Rest des Weges auf Knien, ohne auf die Glasscherben zu achten, die ihre Haut bei jeder Bewegung schmerzhaft verletzten.

Queen begann erneut, dasselbe Lied zu spielen. Hailey war sich nicht sicher, ob es das vierte oder bereits das fünfte Mal war. Sie stellte fest, dass sie mehrere Minuten gebraucht hatte, um sich aus dem Mercedes zu befreien und zu Sharman zu gelangen. Es schien, als wäre die Zeit aus den Fugen geraten.

»Bitte«, flüsterte sie, als sie ihn endlich erreichte. Sie umfasste sein Gesicht mit zitternden, blutverschmierten Händen.

Er atmete. Sehr langsam und schwach zwar, aber er atmete.

»Ich bin hier«, versicherte sie ihm, obwohl sie nicht glaubte, dass er ihre Stimme hören konnte. »Es wird alles gut werden. Ich verspreche es, bitte bleib bei mir ...« Sie brach zusammen und ließ sein Gesicht los. Spuren ihres Blutes blieben auf seiner blassen Haut zurück. »Ich muss nur ...« Sie sah sich um und ihr Blick blieb an dem weißen Lieferwagen hängen. »Ich bin gleich wieder da«, flüsterte sie.

Schneller als beim ersten Mal gelangte sie zurück zum Auto. Unter einem der Sitze fand sie ihr Handy. Der Bildschirm blinkte kurz auf und erlosch dann – das Display war völlig kaputt ...

Hailey stöhnte laut auf und warf das Gerät zur Seite. Sie konnte Sharmans Telefon nicht finden. Sie umrundete den Mercedes und schaute in das Innere des Lieferwagens, der nicht so stark beschädigt war wie ihr Auto. Abgesehen von einer Delle konnte sie keine größeren Schäden feststellen.

Der Wagen war leer und das Radio spielte immer noch die gleiche Melodie. Hailey fand nichts, womit sie hätte Hilfe rufen können, also kehrte sie zu Victor zurück.

»Es tut mir leid«, flüsterte sie unter Tränen. »Es tut mir so leid ...« Ihre Lippen zitterten, als sie sich vorbeugte und seine blutige Stirn küsste.

Sie trat einen Schritt zurück und bemerkte, wie ihre Tränen auf seine Wangen getropft waren.

Sie würden keine Hilfe bekommen. Sie befanden sich auf einer Straße außerhalb der Stadt, ein dichter Wald umgab sie auf beiden Seiten. Selbst wenn Hailey versucht hätte, zur nächsten Tankstelle zu laufen, hätte sie schon nach wenigen Metern das Bewusstsein verloren. Alles, was sie tun konnte, war, bei ihm zu bleiben.

»Es wird alles gut«, versicherte sie ihm und legte ihren Kopf auf seine sich schwach hebende und senkende Brust. Sie konnte Victors langsamen Herzschlag spüren. Immer langsamer und langsamer ... »Es ist nur ein Traum.« Ihr fielen die Augen zu, doch sie war zu schwach, um dagegen anzukämpfen. Obwohl sie wusste, dass sie sich so lange wie möglich bei Bewusstsein halten musste. »Wir werden bald aufwachen und alles wird wieder so sein wie vorher ...« Ihre Stimme verlor an Kraft und wurde zu einem unverständlichen Murmeln.

Die Hand des Mädchens rutschte träge ab und schlug dann auf dem Asphalt auf. Wieder füllte Blut ihren Mund.

Sie wurde von der Müdigkeit so überwältigt, dass der Schmerz in den Hintergrund trat. Sie lauschte auf Victors Herzschlag, auf sein langsames Atmen und spürte, wie sie selbst immer schwächer und schwächer wurde. Sie wusste, dass sie nicht aufgeben durfte, aber sie war nicht in der Lage, ihre Augenlider zu heben.

»Es ist nur ein Traum«, flüsterte sie, zu mehr war sie nicht mehr fähig. Selbst das Aussprechen eines einzigen Wortes kostete sie zu viel Kraft. Sie spürte, wie sie von einer nie da gewesenen Ruhe übermannt wurde, als ob der Schlaf sie endlich gefunden hätte. »Gleich wachen wir auf ...«

KAPITEL 2

Hailey kam endlich zu sich, konnte aber weder den Mut noch die Kraft aufbringen, ihre Augen zu öffnen. Sie spürte raues Bettzeug unter ihren Fingern. Von irgendwo in der Ferne waren gedämpfte Frauenstimmen und das charakteristische Klicken einer Tür zu hören. Sie nahm einen immer wiederkehrenden Piepton wahr.

»Doktor.« Die Worte klangen viel näher als zuvor.

Hailey schlug schließlich die Augen auf. Das Weiß war so grell, dass sie unwillkürlich aufstöhnte. Sie bemerkte das Gesicht einer Frau über sich, das schnell wieder verschwand. An ihrer Stelle erschien ein grauhaariger Mann. Seine Stimme war so gedämpft, als ob eine dicke Watteschicht ihn von der Brünetten trennte.

»Miss Warren, können Sie mich hören?«, fragte er.

Das Mädchen kniff die Augen zusammen. Plötzlich kehrten die Erinnerungen zurück: Meggies und Thomas‘ Hochzeit, der weiße Lieferwagen, Bohemian Rhapsody, sie selbst auf der leeren Straße und ...

»Victor«, flüsterte sie und riss die Augen auf. Sie begegnete dem Blick des Arztes. »Wo ist Victor?« Ihre Stimme zitterte und ein scharfer Schmerz schoss durch ihre Brust.

»Miss Warren, bitte beruhigen Sie sich«, wies er sie sanft an. »Sie haben durch den Unfall eine Gehirnerschütterung erlitten. Die Schmerzen, die Sie spüren, sind auf geprellte Rippen zurückzuführen, also machen Sie bitte keine plötzlichen Bewegungen. Die Krankenschwester hat gerade eine Infusion angelegt. Die Schmerzmittel sollten innerhalb von ein paar Minuten wirken. Dann werden Sie sich besser fühlen.«

»Wo ist er?«, fragte sie. Heiße Tränen liefen ihr über die Wangen. »Ich muss wissen, wo er ...« Ihre Stimme brach und sie hatte das Gefühl, an ihrem eigenen Atem zu ersticken.

»Caroline.« Der Arzt verschwand aus ihrem Blickfeld. Stattdessen erschien eine junge Krankenschwester an ihrem Bett und bedeckte ihren Mund mit einer Sauerstoffmaske.

»Bitte atmen Sie ruhig ein und aus«, befahl sie.

Mit zitternder Hand schob Hailey die Maske, die eine normale Atmung ermöglichen sollte, von ihrem Gesicht.

»Ich muss wissen, wie es Victor Sharman geht. Bitte ...«

»Sprechen Sie von dem Mann, der mit Ihnen in den Unfall verwickelt war?«, fragte sie.

Das Mädchen nickte daraufhin unsicher.

»Soweit ich weiß, wurde er sofort nach seiner Einlieferung in den OP gebracht.«

Hailey umfasste das Handgelenk der Krankenschwester. Sie krallte ihre Fingernägel in die Haut der Frau, und weigerte sich, sie loszulassen. Sie sagte schwach:

»Bitte ...«

»Es tut mir wirklich leid, aber mehr weiß ich nicht.« Sie wand ihre Hand aus Haileys Griff und setzte ihr die Sauerstoffmaske wieder auf. »Bitte versuchen Sie, sich nicht aufzuregen. Es würde Ihren derzeitigen Zustand nur verschlimmern, was nicht hilfreich wäre.«

Hailey schaute der Krankenschwester nach, die hinter der Tür verschwunden war, dann blickte sie sich langsam um. Sie war nicht allein im Krankenzimmer, in einem weiteren Bett schlief ein älterer Mann.

Sie richtete sich vorsichtig in eine sitzende Position auf. Es war, als strahle der Schmerz von der Mitte ihres Körpers aus und fräße allmählich alles auf. Sie riss sich die Sauerstoffmaske herunter und zog unbeholfen den Zugang aus dem Handrücken, ohne darauf zu achten, dass sie sich bei dieser schnellen Bewegung die Haut aufriss. Aus der Wunde sickerte Blut, das sie schnell an der Bettdecke abwischte.

Sie trug immer noch ihr goldenes, blutverschmiertes Kleid und an ihren nackten Füßen klebte Dreck. Als sie aufstand, verschwamm das Bild vor ihren Augen für einen Moment. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie sich gesammelt hatte und den Raum verlassen konnte.

Auf dem Flur stieß Hailey mit einem Sanitäter zusammen, der sie zunächst fragend ansah und ihr dann den Weg zu den Operationssälen wies. Sie lief wie betäubt durch den Eingangsbereich des Krankenhauses und ignorierte die fragenden Blicke der Leute. Als sie schließlich die weißen Doppeltüren erreichte, ertönte die Stimme des Arztes hinter ihr:

»Miss Warren! Ich habe Sie gebeten, Ihr Zimmer nicht zu verlassen ...«

Sie erreichte die Tür, durch deren Fenster sie jedoch nur einen weiteren langen Korridor sehen konnte. An dessen Ende befand sich ein Eingang, der wahrscheinlich zu den Operationssälen führte.

»Ich muss ihn sehen«, flüsterte sie verzweifelt. Ihre Kehle brannte unerträglich bei jedem Wort, das sie aussprach. »Ich muss ...«

»Hailey!«

Sie drehte sich um und sah durch einen Tränenschleier hindurch Meggie, die in einem weißen Kleid auf sie zulief.

»Meg ...« Sie sackte zusammen, ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr. Sie waren zu schwach, um den Körper des Mädchens aufrecht zu halten.

Meggie ging an dem Arzt vorbei, der auf halbem Weg stehen geblieben war, und fiel ebenfalls zu Boden. Sie ignorierte die Tatsache, dass sie ein Hochzeitskleid trug, das dabei eventuell hätte schmutzig werden können.

»Ich bin da«, versicherte sie der Brünetten, die sich an sie drückte.

»Ich muss ... Ich muss ihn sehen«, schluchzte Hailey. »Ich muss wissen, dass ...«

»Ich weiß, Sonnenschein«, flüsterte sie und kämpfte ebenfalls mit den Tränen. Langsam strich sie über Haileys dunkles Haar. »Ich weiß.« Sie hob den Kopf, als Thomas mit seinen Eltern am Ende des Flurs erschien.

***

»Ich glaube, ich muss Ihnen nicht sagen, wie unverantwortlich Sie sich verhalten haben, Miss Warren, oder?« Der Arzt stieß einen genervten Seufzer aus. Er schloss die Patientenakte und schüttelte den Kopf. »Bitte verlassen Sie das Zimmer nicht mehr ohne meine Erlaubnis.«

Sie saß auf dem Bett und starrte ausdruckslos auf die Innenseiten ihrer Hände. Ihre Haut war durch die Splitter der Autoscheiben verletzt worden. Die Medikamente, die sie verabreicht bekommen hatte, waren jedoch so stark, dass sie keine Schmerzen hatte. Im Moment war es wahrscheinlich ihr gebrochenes Herz, das ihr am meisten Probleme machte. Sie konnte sich auf nichts anderes konzentrieren.

»Hailey wird von jetzt an Ihre Anweisungen befolgen«, versprach Meggie. Die ganze Zeit über hatte sie neben dem Bett ihrer Freundin auf einem Hocker gesessen.

Der Arzt warf noch einen letzten Blick auf die Patientin und verließ dann den Raum. Erst danach ergriff Hailey das Wort:

»Was ist mit der Hochzeit?«

»Machst du dir jetzt wirklich darüber Sorgen?« Meg zupfte am Stoff ihres Kleides und konnte nicht verbergen, dass ihre Hände zitterten.

»Nein, aber es hilft mir, nicht in meinen Gedanken zu ertrinken«, flüsterte sie.

Die Blondine holte tief Luft.

»Vor der Zeremonie habe ich einen Anruf aus dem Krankenhaus erhalten. Wir haben die Hochzeit sofort abgebrochen und sind alle hergekommen ...«

»Es tut mir leid«, warf Hailey ein, ohne den Blick von ihren Händen abzuwenden. Sie erinnerte sich daran, wie sie absichtlich ihre Handflächen in die Scherben gedrückt hatte, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. Sie hatte das Gefühl, die Splitter noch immer tief unter ihrer Haut spüren zu können.

»Hailey ...« Meg bewegte sich nervös. »Ich habe versucht, herauszufinden, wie es Victor geht, aber der Arzt konnte mir nur sagen, dass die Operation immer noch läuft. Anscheinend ist sein Zustand nicht ...« Sie verstummte, da ihr klar wurde, dass es vielleicht besser wäre, ihrer Freundin nicht die ganze Wahrheit zu sagen – zumindest nicht jetzt, wo sie immer noch unter Schock stand.

»Das verstehe ich.« Ihre Stimme klang hohl und gefühllos. »Dort, auf der Straße, konnte ich kein Telefon finden und keine Hilfe rufen.«

»Jemand ist da vorbeigekommen. Ihr hattet großes Glück, es ist eine wirklich abgelegene Straße.«

»Großes Glück?«, wiederholte sie aufgebracht. Sie schaute ihre Freundin empört an und wollte laut schnauben. Der Zorn, den sie empfand, richtete sich jedoch nicht gegen Meg, sondern gegen sie selbst.

Die Blondine merkte, dass sie ihre Worte ungeschickt gewählt hatte.

»Die Polizeibeamten, die vor Ort waren, haben gesagt, dass der Lieferwagen gegen die Seite geprallt sei, auf der Victor saß. Sie nannten es ein Wunder, dass du fast unverletzt geblieben bist. Es ist, als würde ein Engel über dich wachen ...«

»Kein Engel«, entgegnete Hailey. »Es ist der Teufel«, fügte sie im Flüsterton hinzu und senkte ihren Blick. Sie ballte ihre verletzten Hände zu Fäusten und drückte ihre Wange gegen das Kissen, damit Meggie ihr Gesicht nicht sehen konnte.

Sie trug nicht mehr das blutige Kleid, sondern einen grauen Trainingsanzug, den ihre Eltern ihr ins Krankenhaus mitgebracht hatten. Sie hatte sie gebeten, mit Thomas draußen zu warten, da sie nicht die Kraft hatte zu sehen, wie besorgt sie waren. Meg konnte in solchen Situationen ihre Gefühle besser kontrollieren, was es für Hailey einfacher machte.

»Du solltest dich jetzt ausruhen.« Die Blondine raffte ihr Kleid und stand langsam auf. »Es wird alles gut«, wisperte sie, doch Gewissheit und Entschlossenheit suchte man in ihrer Stimme vergeblich. Es war, als ob sie ihren eigenen Worten nicht traute.

Hailey presste ihre Augenlider zusammen. Sie erlaubte sich nur zu weinen, wenn sie allein im Zimmer war. Sie ließ den Tränen freien Lauf, bis eine Krankenschwester kam, um ihre Infusion zu wechseln. Sie fragte nach Victor, erhielt aber keine Antwort. Sie fragte noch vier oder fünf weitere Male – ohne Erfolg.

Nach mehreren Stunden, in denen sie ununterbrochen geweint hatte, hatte sie Kopfschmerzen. Es gelang ihr schließlich, für eine Viertelstunde einzuschlafen, ehe sie durch den Besuch ihrer Eltern wieder geweckt wurde.

»Der Arzt hat gesagt, dass du ein paar Tage zur Beobachtung hierbleiben musst.« Kris Warren setzte sich auf den Platz, der zuvor von Meggie besetzt war. »Dad und ich werden morgen kommen und dir alles bringen, was du benötigst. Wenn du etwas brauchst, kannst du uns jederzeit anrufen.«

»Schatz.« Edward Warren legte seiner Frau eine Hand auf die Schulter, als wolle er sie durch seine Berührung beruhigen.

»Ihr solltet nach Hause fahren«, flüsterte Hailey. »Ich bin müde. Ich lege mich jetzt hin und versuche zu schlafen ...«

»Ja, natürlich.« Ihr Vater schenkte dem Mädchen ein verständnisvolles Lächeln. »Thomas und Meggie sind zu den Hochzeitsgästen gefahren. Ich denke, wir sollten uns ihnen anschließen.«

»Ja.« Mrs Warren stand auf. »Ruh dich aus. Wir werden in ein paar Stunden noch einmal nach dir sehen.«

»Okay.« Hailey versuchte, das Lächeln ihres Vaters zu erwidern.

Als ihre Eltern gegangen waren, legte sie sich auf die harte Matratze des Krankenhausbettes, versuchte aber gar nicht erst, zu schlafen. Sie wusste, dass der Schlaf zu kurz sein würde, als dass sie sich hätte erholen können. Sie würde nur müder als zuvor wieder aufwachen, also ließ sie es gleich ganz bleiben.

Hailey hatte keine Kraft mehr zu weinen. So lag sie einfach nur regungslos da, den Blick an die Decke gerichtet, und versuchte, nicht nachzudenken – was jedoch unmöglich war. Sie war sich die ganze Zeit darüber im Klaren, dass die Ärzte jetzt gerade vielleicht um Victors Leben kämpften und dass sie selbst ihm dabei in keiner Weise zur Seite stehen konnte.

Erst das Erscheinen der Krankenschwester holte sie in die Realität zurück.

»Die Operation ist vorbei«, teilte sie ihr mit, woraufhin sich Hailey abrupt aufsetzte und der Schmerz in ihre Schläfen und ihre Brust schoss. »Der Patient ist in ein künstliches Koma versetzt worden. Sein Zustand ist immer noch nicht sta...«

»Kann ich ihn sehen?«, unterbrach sie die Schwester.

»Mr Sharman liegt auf der Intensivstation«, seufzte diese. In den letzten Stunden hatte sich das Mädchen ständig nach Victor Sharman erkundigt. Vielleicht weckte die Traurigkeit in Haileys Gesicht Mitleid in der Frau, denn sie fügte schließlich hinzu:

»In Ordnung.«

Die Krankenschwester entfernte die Infusion und führte Hailey dann durch die Stockwerke des Krankenhauses. Die Nacht war mittlerweile in den frühen Morgen übergegangen, und das Krankenhaus und die Patienten erwachten langsam.

»Bitte bleiben Sie nicht zu lange und kehren Sie bald in ihr Zimmer zurück. Sie sollten sich auch um Ihre eigene Gesundheit kümmern.«

»Ja, natürlich. Es wird nicht lange dauern«, versprach sie.

Als die Krankenschwester gegangen war und sie allein auf dem leeren Flur zurückgelassen hatte, stand Hailey mehrere Minuten lang regungslos da. Sie konnte keinen Schritt machen, denn sie fürchtete, den Anblick von Victor nicht verkraften zu können.

Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen und stellte sich vor die Scheibe. Sie drückte ihre zitternden Hände gegen die glatte Oberfläche und blickte in den abgedunkelten Raum hinein. Erst nach einem Moment fand sie sein Bett.

All ihre Befürchtungen erwiesen sich als wahr: Der Anblick von Victor, mit blassem Gesicht und umgeben von medizinischen Geräten, brach ihr das Herz. Tränen schossen ihr in die Augen, obwohl sie kurz zuvor noch sicher gewesen war, dass keine mehr übrig waren.

»Es tut mir leid«, flüsterte sie und drückte ihre Stirn gegen die Scheibe. »Es tut mir so leid ...«

Sie fühlte sich in gewisser Weise schuldig. Wenn sie auf der Straße nicht das Bewusstsein verloren hätte, hätte sie Hilfe holen können, und dann wäre Victor schneller ... Vielleicht wäre dann alles anders gekommen? Sie musste laut aufschluchzen bei diesem Gedanken. Nur wenige Stunden zuvor waren sie noch überglücklich gewesen und hatten eine Zukunft geplant, die nun wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen war. Von diesem Glück war nichts weiter übrig geblieben als Schmerz, der sie nicht einen Moment in Ruhe ließ.

Sie wandte den Kopf zur Seite, als sie eine Bewegung im Zimmer registrierte. Eine Krankenschwester in weißer Schürze blieb am Bett stehen, beugte sich vor und begann, den Tropf zu wechseln, während sie Victors Hand zärtlich streichelte.

»Hören Sie auf«, stöhnte Hailey und schlug mit der Hand gegen die Scheibe, die jedoch so dick war, dass kein Geräusch hindurchdringen konnte. »Fassen Sie ihn nicht an! Niemand kann ihn anfassen.« Sie konnte den salzigen Geschmack der Tränen auf ihren zitternden Lippen schmecken. »Fassen Sie ihn nicht an«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. Ihre Finger glitten über das Glas und ihre Hand sank hinab. »Fassen ...«

Sie legte eine Hand auf ihre Brust und spürte die starken Schläge ihres Herzens. Die schnelle Atmung verstärkte den Schmerz in ihren Rippen, und war bis in die Wirbelsäule zu spüren.

»Hailey?«

Es gelang ihr, tief einzuatmen und sich etwas zu beruhigen, ehe sie sich umdrehte.

Am Ende des Korridors sah sie einen Mann mit schneeweißem Haar. Er war von oben bis unten in Schwarz gekleidet: schwarze Schuhe und Mantel, ein Hut in der gleichen Farbe.

»Alfie?«, flüsterte sie, und ihre Kehle brannte unerträglich.

Der Mann ließ die Schultern hängen, und sein sonst stets amüsiertes Gesicht wurde von einem schmerzerfüllten Ausdruck überschattet.

»Ich habe erst vor einer Stunde von dem Unfall erfahren«, antwortete er und machte einen Schritt auf Hailey zu. »Ich bin froh, dass es dir gut geht ...«, fügte er hinzu. Er schien wirklich erleichtert zu sein, sie halbwegs wohlauf zu sehen.

»Victor ...« Ihre Stimme brach, sie konnte den Satz nicht beenden.

»Ich weiß«, warf er ein und ballte seine Hände zu Fäusten. »Ich weiß«, wiederholte er traurig.

Durch seine Worte und die Sanftheit, die in seiner Stimme lag, schluchzte das Mädchen erneut laut auf. Ein Meer aus Tränen verwischte ihr die Sicht. Dass sie in Alfie Meyers Armen gelandet war, merkte sie erst, als sie den durchdringenden Geruch von Whisky und Zigaretten wahrnahm. Sie schmiegte sich an ihn und fasste mit zitternden Händen nach dem Stoff seines schwarzen Mantels.

Der Mann drehte den Kopf und blickte in den Raum. Er sah einen Victor, der ihn jetzt mehr denn je an Michael erinnerte. Der Schmerz, der sich in sein kaltes Herz brannte, war unerträglich. Er umarmte Hailey fester, zog sie an sich und legte sein Kinn auf ihren Kopf. Er hatte nicht vor, ihr zu versichern, dass bald alles wieder gut sein würde. Diese Worte waren nur leere Versprechungen, vollkommen wertlos. Allerdings überraschte ihn die Situation auch nicht sonderlich, denn war dies nicht das Ende aller schönen Geschichten, in denen die Prinzessin es wagte, ein Monster zu lieben?