Schwelende Glut - Hannah Fielding - ebook

Schwelende Glut ebook

Fielding Hannah

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Opis

Eine unvergessliche Leidenschaft, die sich im Herzen Afrikas entspinnt.

Eine zerbrechliche Liebe, die von Geheimnissen und Betrug gefährdet wird.

Coral Sinclair, eine schöne, aber naive junge Fotografin, erfährt innerhalb weniger Tage nach der Absage ihrer Hochzeit, dass sie ihren Vater verloren hat. Sie verlässt ihr Leben in England und reist nach Kenia, um ihr Erbe anzutreten – Mpingo, die Plantage, auf der sie ihre Kindheit verbrachte. Auf der Schiffsreise trifft Coral einen charismatischen Fremden, dessen mysteriöse Anziehungskraft sie bis ins Mark erschüttert. Später findet sie seine Identität heraus und wird gewarnt, diesem Mann nicht zu vertrauen. Rafe de Monfort, Besitzer eines Nachtclubs und der benachbarten Plantage, ist nicht nur ein berüchtigter Frauenheld – seine Affäre mit Corals Stiefmutter hat möglicherweise zum Tod ihres Vaters beigetragen. Zumindest besagen dies die Gerüchte. Während Coral der unbestreitbaren Chemie zwischen ihr und Rafe verfällt, blüht in der exotischen, gefährlichen Wildnis Afrikas eine vorsichtige Romanze auf. Aber als Coral sich mit Rafes Vergangenheit befasst, hinterfragt sie seine wahren Motive. Ist dieser berütigte Mann nur hinter ihrem Erbe her? Oder stecken Rafes geheime Qualen hinter jeder Handlung und machen ihn verletzlicher, als Coral es sich jemals vorstellen könnte?

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Kritiken zu Hannah Fieldings erstem Roman, Schwelende Glut:

„Eine epische Romanze, wie sie in Hollywood gemacht wird …“

Peterborough Evening Telegraph 

„Schwelende Glut ist ein romantisches Vergnügen und ein absolutes Muss für alle, die in eine Welt voller Farben, Schönheit, Leidenschaft und Liebe entfliehen möchten … Empfohlen für alle, die nicht nach Kenia reisen können.“

Amazon.co.uk review

„Eine gute, altmodische Liebesgeschichte … Eine Heldin, die jung und naiv ist und noch viel zu lernen hat. Ein Held, der ein heißes Alphatier ist, eine mysteriöse Vergangenheit und viele Frauen hat. Eine andere Zeit, Welt und Klasse. Die Art von Romantik, die Picknicks in verlassenen Tälern und Fahrten mit dem Heißluftballon und das Schwimmen in abgelegenen Seen beinhaltet. Himmlisch.“

Amazon.co.uk review

„Die Geschichte hat mich von Anfang an begeistert. Ich möchte wie Coral sein, in einer unschuldigeren Zeit an einem schönen, heißen Ort leben und mich in einen reichen, attraktiven Mann verlieben. Ich kann Hannah Fieldings nächstes Buch kaum erwarten.“

Amazon.co.uk review

Kritiken zu Das Echo der Liebe (Gewinner der Goldmedaille für Liebesromane bei den Independent Publisher Book Awards 2014):

„Einer der besten Liebesromane, die jemals geschrieben wurden … Eine epische Liebesgeschichte, wunderschön erzählt.“

The Sun

„Fans von Liebesromanen werden es in einer Sitzung verschlingen.“

The Lady

„Weist alle Elemente einer sehr guten romantischen Fiktion auf.“

BM Magazine

„Dieses Buch wird dazu führen, dass Sie sich wünschen, in Italien zu leben.“

Fabulous

„Das Buch ist die perfekte Lektüre für alle Leser, die eine Leidenschaft für Liebe, Leben und Reisen haben.“

Love it!

„Romantik und Spannung mit viel italienischer Kultur.“

Press Association

„Eine Geschichte mit Wendepunkten und voller Drama, Liebe und Tragödie.“

Italia!

„Es gibt viele wunderschön gestaltete Passagen, insbesondere die, die sich auf die Landschaft und Architektur der Toskana und Venedigs beziehen … Es war einfach, sich selbst an diesen magischen Orten vorzustellen.“

Julian Froment blog

Kritiken zu Indiskretion (Gewinner der Goldmedaille für Liebesromane bei den IBPA Benjamin Franklin Awards und in der Kategorie „Best Romance“ bei den USA Best Book Awards):

„Eine fesselnde Geschichte von Liebe, Eifersucht und Skandalen.“

The Lady

„Indiskretion fesselt von Anfang an. Alexandra ist eine betörende Heldin und Salvador ein überzeugender, charismatischer Held … Die schimmernde Anziehungskraft zwischen ihnen ist immer straff wie ein Faden. Eine kraftvolle und romantische Geschichte, die man einfach genießen muss.“

Lindsay Townsend – Autorin historischer Romane

„Eine reichhaltige Beschreibung, eine wunderschöne Kulisse, viele wundervolle Details, leidenschaftliche Romantik und das zeitlose, klassische Gefühl, das für puren, nachsichtigen Eskapismus sorgt. Ein Glücksfall!“

Amazon.co.uk review

„Ich dachte, Mrs. Fielding hätte sich mit ihrem zweiten Roman selbst übertroffen, aber mit diesem dritten hat sie es erneut geschafft. Diese Liebesgeschichte hat mir den Atem geraubt … Ich konnte das Buch kaum weglegen.“

Amazon.com review

Kritiken zu Maskerade (Gewinner der Silbermedaille für Liebesromane bei den IBPA Benjamin Franklin Awards):

„Geheimnisse und Überraschungen … im Spanien der 1970er-Jahre. Sie werden in dieser atmosphärischen Geschichte um Liebe und Täuschung versinken.“

My Weekly

„Hannah Fielding schreibt über Liebe, sexuelle Spannung und Sehnsucht mit einer erstaunlichen Zartheit und Üppigkeit. In diesem Roman steckt so viel von den Legenden und Überlieferungen der Zigeuner und den Überzeugungen Spaniens. Pferdeauktionen, sinnliche Träume, Stierrennen, Stierkämpfer, Schwimmen im Mondschein, Hitze und Blumen sowie Farben und Kostüme des Landes. Eine hervorragende Lektüre.“

Amazon.co.uk review

„Dies war ehrlich gesagt eines der ästhetischsten und sinnlichsten Bücher, die ich seit langer Zeit gelesen habe.“

Amazon.co.uk review

„Maskerade enthält die Art von Romantik, die Ihr Herz höherschlagen und Ihre Knie zittern lässt. Dies war eine faszinierende und dramatische Lektüre, die mich mit einem verträumten Gefühl zurückließ.“

Amazon.co.uk review

„Diese fesselnde, wunderschöne, romantische Geschichte war eine meiner Lieblingslektüren in jüngster Zeit. Dieses Buch hat Intrigen, Rätsel, Rache, Leidenschaft und verlockende Liebesszenen zu bieten, die den Leser gefangen halten und ihm keinen Moment Ruhe bei all den Drehungen erlauben … Wundervoll vom Anfang bis zum Ende.“

Goodreads.com review

Erstveröffentlichung in den USA im Jahr 2012 durch Omnific Publishing

Erstveröffentlichung der eBook-Ausgabe in Großbritannien im Jahr 2014 durch London Wall Publishing Ltd (LWP)

Erstveröffentlichung der Taschenbuch-Ausgabe in Großbritannien im Jahr 2018 durch London Wall Publishing Ltd (LWP)

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert, in einer Datenbank oder einem Abrufsystem gespeichert oder in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise übertragen werden.

Copyright © Hannah Fielding 2012

Copyright © for German edition by Hannah Fielding 2020

Übersetzung: Martin Wick

Korrektur: Sandra J. Kade

Konsultationen: Thea Prüfer

DTP: Point Plus

Drucken und Binden: Colonel, Krakau, Polen

Das moralische Recht des Autors wurde geltend gemacht.

Alle Charaktere und Ereignisse in dieser Veröffentlichung, mit Ausnahme derjenigen, die eindeutig gemeinfrei sind, sind fiktiv, und jede Ähnlichkeit mit einer lebenden oder toten realen Person ist rein zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt.

ISBN 978-83-956892-0-8

London Wall Publishing sp. z o.o. (LWP) Hrubieszowska 2, 01-209, Warschau, Polen

Ebenfalls von Hannah Fielding

Aphrodites Tränen

Das Echo der Liebe

Concerto

Die TrilogieAndalusische Nächte:

Indiskretion

Maskerade

Vermächtnis

Für meinen Ehemann Nicholas, ohne den meine Bücher wohl als Blätter in einer Schublade liegen geblieben wären.

Die schwelende Glut flackert,Verbindung zweier Blicke,Die Ahnung eines Funken,Verboten sein Entzücken.

Unbekannt

Kapitel 1

1970 – Auf hoher See

Coral Sinclair war fünfundzwanzig, und dies hätte ihre Hochzeitsnacht sein sollen. Nun aber beobachtete sie, wie der Vollmond den Indischen Ozean mit silbrigen Strahlen streichelte, während ein Schiff sie bei leichtem Wellengang durch die Nacht trug. Es war dunstig, die Luft war frisch und eine sanfte Brise strich durch ihr wallendes, blondes Haar. Eine einsame Passagierin an Deck, eine Silhouette in einem trägerlosen Abendkleid aus weißer Seide, so stand sie aufrecht da, ihre schlanken Finger um die Reling geschlungen, ihr Schal aus Voile wie hinter ihr im Wind schwebend.

Coral konnte nicht schlafen. Sie blickte starr in das schwache Licht des Mondes, fühlte sich hilflos, einsam und gänzlich elend. Das einzige Geräusch war das sonore Brummen der Schiffsmotoren und das rhythmische Echo der unablässig gegen den Schiffsrumpf schlagenden Wellen.

Nach dem Abendessen war sie in ihrer stickigen Kabine auf und ab gegangen, hatte versucht, sich auf ein Buch zu konzentrieren oder hatte geistesabwesend durch eine Zeitschrift geblättert. Unfähig, sich zu konzentrieren, war sie hinauf an Deck gegangen, um etwas frische Luft zu schnappen. Es war wie ausgestorben, abgesehen von einigen leeren Deckstühlen. Ihre geisterhaften Schatten im blassen Mondlicht verliehen dem Ort eine trostlose Atmosphäre, die gleichzeitig ihre Stimmung widerspiegelte.

Es war eine wundervolle Kreuzfahrt gewesen, sagte sie sich wehmütig, in einem weiteren Versuch, sich aus ihrer Depression zu reißen. Sie hatte die Reise nicht wirklich voll ausgekostet, und sie wusste, dass sie das eines Tages bereuen würde.

Immerhin war dies das Abenteuer, von dem Coral in den vergangenen Jahren immer geträumt hatte. Sie fühlte, wie sich ihre Kehle zuschnürte. „Nein, nicht ganz …“, flüsterte sie sich zu. Die Umstände, die die Reise herbeigeführt hatten, waren schmerzhaft. Sie war auf dem Weg, ihr Erbe in Besitz zu nehmen.

Das Schiff brachte sie nach Hause – oder zumindest in das Zuhause, das sie als Kind in Kenia gekannt hatte. Mpingo … Sogar der Name wärmte Corals Herz wie die afrikanische Morgensonne. Auf Suaheli bedeutete es Der Baum der Musik, so genannt nach dem sehr begehrten dunklen Kernholz, das bei der Herstellung von Blasinstrumenten verwendet wurde. Wie der Großteil der weißen Gemeinschaft in Kenia – eine eklektische Mischung aus Aristokraten ohne Grundbesitz, Großwildjägern und ehemaligen Soldaten – so war auch Corals Familie dorthin ausgewandert. Die öden, baumlosen Landschaften, erstickt vom Staub und verbrannt von der Sonne, die auf manche bedrohlich wirken konnte, waren von Coral in ihren frühen Jahren ganz anders empfunden worden. Dem fantasievollen Kind war jeder Tag voller verlockender Aussichten und Gelegenheiten erschienen, die im goldenen Licht der afrikanischen Sonne erforscht werden konnten. Sie war davon ausgegangen, auf ewig dort zu leben, und es hatte sie vollkommen unvorbereitet getroffen, dass sich alles plötzlich änderte.

Coral versuchte, sich den klaren Aprilmorgen vor sechzehn Jahren vor Augen zu rufen, an dem sie sich von der Welt, die sie liebte, verabschiedet hatte – von Afrika und ihrem Vater. Sie war neun Jahre alt gewesen, und obwohl ein Großteil ihrer Erinnerungen an diese Zeit verschwommen erschienen, waren manche für sie noch sehr lebendig.

Die ständigen Auseinandersetzungen ihrer Eltern hatten eine ansonsten heitere Kindheit verdunkelt. Oft quälten diese Erinnerungen sie nachts, immer dominiert von der hoch aufragenden Gestalt ihres Vaters, Walter Sinclair, einem Mann, dessen heiterer Charme und Ruf als Abenteurer (ganz abgesehen von seiner Schwäche für die Ehefrauen anderer Männer) ihm bei der einheimischen Bevölkerung den liebevollen Spitznamen Weißer Pirat eingebracht hatte. Trotzdem hatte Coral ihren schneidigen Vater geliebt und bewundert und ihn lange Zeit verzweifelt vermisst.

Sie erinnerte sich an die Rückkehr nach England mit ihrer Mutter Angela im Frühling 1956, die darauffolgende Scheidung ihrer Eltern und daran, ins Internat geschickt zu werden. Das war die schlimmste Zeit gewesen. Für ein Kind, das an die windgepeitschten Flächen im Busch und die kaleidoskopische Szenerie der Tropen gewöhnt war, stellte sich die plötzliche Beengtheit einer englischen Schule wie eine Einzwängung dar, an die sie sich nur schwer anpassen konnte und an die sie sich nie gewöhnt hatte. Sie fand während dieser endlos erscheinenden Jahre bis zum Erwachsenwerden Zuflucht in der herrlichen Welt ihrer nostalgischen Träume, und nahm sich heimlich vor, eines Tages in ihr richtiges Zuhause zurückzukehren.

Dann, als Coral sechzehn war, hatte ihre Mutter Sir Edward Ranleigh geheiratet, einen verwitweten Anwalt mit ausgezeichnetem Ruf. Trotz seiner häufigen Besuche in ihrer Londoner Wohnung war die Verlobung für sie ein Schock gewesen. Zu Beginn hatte sie ihn gehasst und sich rundweg geweigert, bei der Hochzeit anwesend zu sein. Coral konnte sich nicht vorstellen, dass jemand den Platz ihres Vaters im Herzen – oder im Bett – ihrer Mutter einnehmen konnte.

Onkel Edward, wie sie ihn nannte, war ein fröhlicher und geselliger Mann, ein bon viveur, großzügig und bodenständig. Wie ihr Vater hatte er die Welt bereist; nicht, um ein Vermögen anzusammeln, sondern zu seinem eigenen Vergnügen. Sie waren alle in seine luxuriöse Londoner Wohnung mit Blick auf den St. James’s Park gezogen und hatten den Großteil ihrer Ferien auf seinem Landsitz, Ranleigh Hall, in Derbyshire verbracht. Edward hatte schließlich ihre Zuneigung durch Zurückhaltung und Geduld gewonnen. Er hatte ihr das Reiten und Segeln beigebracht und ihre Fantasie mit Geschichten seiner Abenteuer in fremden Ländern angeregt. Allmählich hatte Coral sich an seine Gegenwart gewöhnt und ihre Einstellung zu ihm wurde nachgiebiger. Innerhalb einiger Monate wurden sie Freunde.

Das folgende Jahr hatte ihre Welt erneut durcheinandergerüttelt, denn dem jungverheirateten Paar wurden Zwillinge geboren. Lavinia und Thomas, ihre Halbgeschwister. Coral hatte die plötzliche, dramatische Änderung in ihrem Leben verstört. Sie hatte ihre Gefühle sorgfältig verborgen und wäre gern zurück nach Kenia gezogen, aber es wurde ihr deutlich gemacht, dass eine Rückkehr keine Option war. Wieder ergab sie sich in ihr Schicksal, und mit der geduldigen Hilfe von Onkel Edward, für den Coral wie eine eigene Tochter war, hatte sie sich für die Kinder erwärmt und sogar gelernt, sich um sie zu kümmern. An Corals achtzehntem Geburtstag hatte Onkel Edward einen Ball für sie ausgerichtet und eine großzügige Summe in einem Treuhandfonds für sie angelegt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich mit dem ihr aufgezwungenen neuen Leben versöhnt. Sie liebte die Zwillinge und mochte Onkel Edward sehr gern, aber er hatte niemals ihren Vater in ihrem Herzen ersetzen können, und sie sehnte sich weiterhin nach Kenia, dem Land ihrer glücklichen Kindheit.

Gedankenverloren ging Coral auf die Zehenspitzen und beugte sich über die Reling, um die schäumenden, weißen Pferde im Kielwasser des Schiffes zu betrachten. Der salzige Dunst umwehte sie und blies Haarsträhnen über ihre Augen, die sie sich von ihrer breiten Stirn zurückstrich, damit die feine Gischt ihr Gesicht erfrischen konnte. Coral hätte nie damit gerechnet, dass solche Umstände sie nach Hause bringen würden. Wieder dachte sie daran, wo sie eigentlich zu diesem Zeitpunkt hätte sein sollen. Es war ihre Hochzeitsnacht. „Eine Märchenhochzeit“ hatten die Klatschspalten einstimmig verkündet. Sie hatte Dale Halloway, einen jungen amerikanischen Magnaten, 1968 bei der Eröffnung der Halloway African Exhibition in New York City kennengelernt. Es war ihr erster journalistischer Einsatz im Ausland gewesen; ein Auftrag, darüber zu berichten und Bilder von den fantastischen afrikanischen Skulpturen und Bildern zu machen; eine einmalige Möglichkeit, ihre Karriere voranzubringen, dazu noch eine, die junge Fotografen – insbesondere Frauen – nicht oft erhielten. Obwohl die Dinge sich rasch änderten und 1970 ein aufregendes, neues Jahrzehnt einläutete, war es weiterhin hart, in eine solch männerdominierte Welt einzudringen. Coral hatte Fotografin werden wollen, seit sie zurückdenken konnte, und während all ihre Freundinnen aufgewachsen waren und den vorhersehbaren Weg der Ehe eingeschlagen hatten, hatte Coral ihre Traumkarriere verfolgt.

Als sie Dale bei der Ausstellung getroffen hatte, war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Er hatte das Aussehen des typisch amerikanischen Helden und verströmte eine Art Great-Gatsby-Stil. Immer im neuesten Anzug von Halston oder Ralph Lauren verkörperte er den mächtigen und erfolgreichen amerikanischen Magnaten. Es verstärkte die Anziehung noch, dass Dale und seine Familie Verbindungen zu Afrika hatten. Dales häufige Reisen auf den afrikanischen Kontinent brachten ihn oft nach Kenia, und seine Geschichten halfen, Corals Hunger nach Informationen über das Leben in dem von ihr so sehr vermissten Land zu stillen.

Monatelang war das Paar untrennbar gewesen, und obwohl Coral die letzten Jahre ihrer Teenagerzeit und ihre frühen Zwanziger damit verbracht hatte, die Ausbreitung der sexuellen Revolution um sich zu betrachten, hatte sie sich vorgenommen, ihre Jungfräulichkeit bis zu ihrer Hochzeitsnacht zu bewahren. So war die Beziehung keusch geblieben. Dale war von Coral ebenfalls bezaubert gewesen, hatte aber weniger Enthusiasmus für ihre traditionellen Ansichten über Sex vor der Ehe empfunden. Trotzdem hatte er ihr versichert, dass er warten würde, bis sie bereit war, und da sie auf gegenüberliegenden Seiten des Atlantiks ihre jeweils eigenen Leben führten, schienen die Monate nur so vorbeizufliegen. Nach achtzehn Monaten hatten sie ihre Verlobung verkündet. Die Hochzeit sollte drei Monate später in New York stattfinden, und sie wollten ihre Hochzeitsreise nach Kenia machen.

An einem Feiertagswochenende war sie unangekündigt nach New York geflogen, um ihren Verlobten zu überraschen. Unangenehm überrascht wurde dann allerdings sie selbst, da Dale wenig davon berührt schien, dass sie ihn bei der Ankunft in seinem Büro dabei erwischt hatte, wie er seine Sekretärin küsste. Das typische Klischee, dachte sie. Mit gebrochenem Herzen war sie aus dem Raum geflohen und am selben Abend noch nach England zurückgekehrt.

Einen Monat später hatte Coral einen Brief von einem Anwalt erhalten, in dem sie informiert wurde, dass ihr Vater gestorben und sie die Erbin eines erheblichen Nachlasses in Kenia war. Der Brief war verspätet eingetroffen – die Post in Afrika war nicht sehr zuverlässig – und so hatte sie nicht an seiner Beerdigung teilnehmen können. Innerhalb von wenigen Monaten war ihr Leben, bis dahin ereignisarm und ordentlich, chaotisch und unsicher geworden.

Trägheit hatte sie daraufhin überwältigt. Eine Zeit lang hatte Coral sich von einem Tag zum nächsten treiben lassen, nicht in der Lage, klar zu denken oder Entscheidungen zu treffen. Dann ergab sich aus heiterem Himmel heraus eine Gelegenheit. Freunde ihrer Mutter, Dr. Thomas Atkinson, ein Mitglied der Weltgesundheitsorganisation, und seine Frau, würden im neuen Jahr nach Somalia aufbrechen. Sie hatten sich Kajüten auf einem von London ablegenden Frachtschiff buchen können, das einen Halt in Kilindini, dem neuen Hafen von Mombasa in Kenia, machen würde. Coral musste nach Kenia zurückkehren, um ihr Erbe anzutreten und die Angelegenheiten ihres Vaters zu regeln, und dieses zufällige Angebot hatte sie zur Einsicht gebracht.

„Die Reise wird dir Zeit geben, dich von der schmerzhaften Erfahrung, die du durchleben musstest, zu erholen“, hatte ihre Mutter gesagt. „Und es wird eine Gelegenheit sein, eine gemütliche Kreuzfahrt zu den afrikanischen Häfen zu machen, eine Möglichkeit, die du vielleicht nie wieder bekommst. Außerdem haben sich die Dinge in Kenia seit dem Attentat auf Mboya geändert. Die Leute sagen, dass Präsident Kenyatta selbst dahintersteckt, aber wer weiß das schon. Diese Stammespolitik gerät außer Kontrolle. Eines Tages kannst du vielleicht gar nicht mehr nach Afrika zurückkehren, Liebes.“ Wie immer war ihre Mutter direkt gewesen.

Coral seufzte. Auch wenn sie aufgeregt war, in das Zuhause ihrer Kindheit zurückzukehren, würde Mpingo ohne ihren Vater nicht dasselbe sein. Sie zitterte.

„Frieren Sie?“ Eine sanfte, tiefe Stimme erklang aus der Dunkelheit hinter ihr und störte ihre Gedanken.

Erschrocken fuhr Coral zusammen und drehte sich um.

„Hier, das wird Sie wärmen“, sagte der Fremde, schlüpfte aus seinem Jackett und legte es ihr um die nackten Schultern.

Sie betrachtete den Mann, der vor ihr im Schatten stand. Sie versuchte, seine Gesichtszüge auszumachen und erkannte ihn dann als den neuen Passagier, der an diesem Morgen in Mogadischu auf das Schiff gekommen war. Sie hatte an Deck gestanden und Dr. Thomas und seiner Frau zugewinkt, die gerade von Bord gegangen waren, und hatte ihn die Gangway hinaufkommen sehen. Am Abend hatte sie beim Essen einen weiteren Blick auf ihn erhascht, als er am Kapitänstisch saß.

Er war groß, dunkelhaarig und schlank. Im Mondlicht wirkten seine Augen, die sie ruhig ansahen, schwarz, aber sie nahm an, dass sie im Tageslicht eine andere Farbe haben würden. Sein Gesicht war nicht besonders attraktiv, zeigte aber etwas Stärkeres, Mächtigeres als konventionelles gutes Aussehen: eine unverhohlene Sinnlichkeit, einen charmanten Magnetismus, der ihre Aufmerksam anzog, obwohl sie ihn gern ignoriert hätte

„Diese tropischen Nächte sind trügerisch“, sagte er. „Die Kälte kann Sie unvorbereitet erwischen.“ Der Fremde hatte einen französischen Akzent, mit einem deutlich singenden Tonfall, der nicht unattraktiv war.

Coral nickte zustimmend und lächelte schüchtern, wodurch sich das kleine Grübchen an ihrem Mundwinkel zeigte.

„Wir werden bald ankommen.“

„Wie spät ist es?“, fragte sie.

„Es ist vier Uhr. In einigen Minuten wird die Morgendämmerung sich dort am Horizont zeigen.“ Seine Nähe irritierte sie, sein Hemdsärmel strich unbeabsichtigt über ihre Wange, als er auf einen unsichtbaren Punkt zeigte. „Der Sonnenaufgang über dem Indischen Ozean ist atemberaubend, besonders, wenn man ihn von einem Schiffsdeck aus betrachtet.“ Er sprach mit einer Wärme, die die tiefe Tonlage seiner Stimme leicht vibrieren ließ.

Ein weiterer Tag beginnt. Traurigkeit überwältigte sie. Wie viel weiteren Kummer und Einsamkeit würde er wohl bringen? Heiße Tränen sammelten sich in Corals Augen und ließen ihre Sicht verschwimmen. Bald würden sie unkontrolliert herausquellen und sie wollte sich auf keinen Fall vor diesem Fremden blamieren. Sie biss die Zähne zusammen und schluckte hart.

„Kann ich irgendwie behilflich sein?“

Coral schüttelte ihren Kopf. Normalerweise hätte sie ihm das Eindringen in ihre Trauer übelgenommen, aber auf seltsame Weise fand sie seine Besorgnis recht tröstend.

Sie sah den Fremden an. Er war zurückgetreten und betrachtete sie, die Arme vor der Brust verschränkt. Fältchen bildeten sich um seine Augen, als er lächelte. Was wollte er? Suchte er nach einem Abenteuer? Sicher nicht, dachte Coral. Er hatte keine Ähnlichkeit mit den jungen Männern, die ihr so oft in ihrem gesellschaftlichen Umfeld begegnet waren. Er war nicht einmal ein junger Mann, sondern schlichtweg ein Mann: warmherzig, mitfühlend und taktvoll.

Sie entspannte sich. „Sie scheinen diesen Teil der Welt gut zu kennen“, wagte sie zu sagen, während sie nun auf den dunklen Ozean hinter ihnen blickte.

„Ich wurde in Afrika geboren.“

„In Kenia?“

„Nein, in Französisch-Guinea. Ich bin erst vor acht Jahren nach Kenia gekommen, aber ich habe den Kontinent recht ausgiebig bereist.“ Einen Moment schwieg er, dann wurde seine Stimme etwas leiser. „Ungezähmtes Afrika“, flüsterte er, wie zu sich selbst.

Etwas in der Weise, wie er die Worte aussprach, ließ Coral ihren Kopf heben. Die Worte ihrer Mutter hallten in ihrem Kopf wider. Die Dinge in Kenia haben sich geändert … Sie wandte sich ihm zu und begegnete dem dunklen Blick, der fest auf ihr Gesicht gerichtet war. Er blickte unverwandt in ihre blauen Augen und lächelte im Halbdunkel. Plötzlich fühlte sie den Drang, sich diesem ruhigen und ermutigenden Mann anzuvertrauen. „Ich wurde auch in Afrika geboren“, murmelte sie, „aber ich habe es schon vor langer Zeit verlassen. Und seitdem hat sich so viel geändert, dass ich Angst davor habe, was mich dort erwartet.“

Sie standen eng beieinander, berührten sich fast. Er streckte seinen Arm aus und berührte mit unendlicher Zärtlichkeit ihre schlanken Finger, die immer noch die Reling umklammerten. Eine angenehme Wärme durchströmte sie. Sie hatte Angst, sich zu bewegen, den ersten, aber machtvollen Kontakt zwischen ihnen zu unterbrechen. Für einen flüchtigen Moment – in diesem blassen Licht, und weil er mit so sanfter Stimme sprach – gab ihr verwundetes Herz der wohltuenden Stimme dieses Fremden nach.

Der Himmel klarte sich am Horizont langsam auf. Der schwarze Mantel der Nacht hob sich allmählich, machte Platz für eine monochrome Morgendämmerung aus blassen Farbtönen, von Indigo bis zu Stahlblau. Die ersten Strahlen der afrikanischen Sonne brachen hervor, ein fahler Farbstreifen, der den östlichen Horizont konturierte. Coral spürte, wie der Fremde sie ansah, und ihre Wangen wurden plötzlich warm.

Ihre Augen trafen sich. Sie schauderte und zog sein Jackett enger um ihre Schultern. Als sein Blick auf ihre weichen, vollen Lippen fiel, errötete er unter seiner tiefen Sonnenbräune, schien sich dann aber plötzlich zusammenzunehmen und wandte sich ab. Coral sah mit pochendem Herzen schweigend mit einer Mischung aus Neugier und Verwunderung zu ihm auf. Was sie empfand, war ihr völlig neu. Es war, als ob in einem einzigen Moment eine unausgesprochene Anziehung entdeckt und eine Verbindung geschaffen worden wäre.

Verschiedene Rosatöne breiteten sich sanft auf dem Himmel aus, kämpften sich ihren Weg durch die blaue Farbsinfonie. Einige Minuten später brach die Sonne durch, überwältigend an diesem vielfarbigen Firmament, und die dunkle Silhouette der Landschaft bildete sich allmählich am Horizont. Zuerst erschien das dunkelgrüne, graue und rostbraune Kleid verschiedener Palmen und anderer Bäume, bevor der Dschungel zum Vorschein kam, der sich vor dem Hinterland erhob. Kurz danach wurde der Hafen von Kilindini sichtbar, gemütlich am Ende des Meeresarms inmitten überschwänglicher Vegetation eingebettet. Coral konnte ihn hinter den eng geschlossenen Reihen der Kokosnusspalmen und zarten Kasuarinen hervorblitzen sehen, während der alte Leuchtturm mit stoischer Ruhe aus dem Halbdunkel grüßte. Die Küstenlinie aus niedrigen Wanderdünen erschien und vervollständigte das Bild, schuf hier und dort makellose, weiße Strände.

Obwohl ihr Gehirn voller Kindheitserinnerungen war, fiel es Corals Augen schwer, die Farbopulenz, den Eindruck der Weite und den Überfluss strahlenden Lebens in ihrer Gesamtheit aufzunehmen, da sie an die ruhigere, englische Landschaft gewöhnt waren. Der brennende Himmel wurde langsam blau, die reichhaltige Erde rot und die unbezähmbare Vegetation grün.

Coral wurde von ihren Gefühlen übermannt, erinnerte sich an das letzte Mal, als sie diese Landschaft gesehen hatte. Sie dachte an ihren Vater, der heute nicht auf sie warten würde. Wie leer ihr Kindheitszuhause ohne ihn erscheinen würde. Ihr Hals schnürte sich zu, und sie biss sich auf die Unterlippe, während sie darum kämpfte, die Tränen zurückzuhalten. Sie war so von ihrer Traurigkeit umfangen, dass sie die Anwesenheit des Fremden vergessen hatte, und so zuckte sie zusammen, als er sprach.

„Bitte nicht …“, flüsterte er sachte.

Sie antwortete nicht, bewegte sich nicht einmal. Sie stand einfach nur schlaff und matt da, Tränen trübten weiterhin ihre hübschen Züge. Er strich mit der Spitze seines Zeigefingers leicht über ihr Kinn und bewegte sanft ihr Gesicht zu sich. Mit einem aus seiner Tasche genommenen weißen Taschentuch wischte er vorsichtig ihre Tränen fort.

„Ein afrikanisches Sprichwort sagt, dass Trauer wie Reis in der Vorratskammer ist, sie wird täglich weniger.“ Trotz seines ernsten Tons sah er sie mit lachenden Augen an, die das Morgenlicht goldbraun gefärbt hatte, die aber weiterhin so hypnotisch wie im Mondlicht waren.

„Verzeihen Sie mir“, murmelte Coral, lächelte hinter Tränen. „Ich wollte mich nicht so gehen lassen. Es war wohl recht kindisch, nehme ich an.“

Er bewegte leicht den Kopf und zwinkerte ihr zu. „Wissen Sie, sogar große Jungs weinen manchmal.“ Seine Stimme hatte einen leicht harten Unterton, und erneut ertappte sie sich dabei, wie angenehm sie seine rauchige Stimme fand.

Im Licht dieser prächtigen Morgendämmerung fuhr das Schiff in den Hafen von Kilindini ein. Alles war ruhig. Die See hier war glatt und glänzend, das Wasser so durchsichtig, dass Coral die regenbogenfarbenen Fische sehen konnte, die faul zwischen den schwankenden Korallen dösten.

„Wir werden nicht vor Mittag ausschiffen. Sie haben Zeit, sich eine Weile auszuruhen“, sagte der Fremde. „Kommen Sie, ich bringe Sie zurück zu Ihrer Kabine.“ Ohne herrisch zu sein, wirkte er wie ein selbstsicherer Mann, der es gewohnt war, Entscheidungen zu treffen, und es nicht kannte, dass sich jemand seinem Willen widersetzte.

Coral nahm es hin und gab ihm sein Jackett zurück. „Meine Kabine ist unten“, teilte sie ihm mit. Als er ihren Ellbogen ergriff, versuchte sie, die kleine, durch ihren Körper schießende Schockwelle zu ignorieren. „Direkt hier“, flüsterte sie, als sie die Tür erreichten.

Coral sah zu ihm auf, begegnete seinen Augen, die sich nachdenklich auf sie konzentrierten. Er legte seine großen Hände auf ihre Schultern. Coral war zierlich, sodass er ihre zarte Gestalt deutlich überragte. Sie wurde sich bewusst, wie gefährlich nah sie seinem festen, muskulösen Körper war. Sein Kopf war zur ihr geneigt, sein Blick auf ihre geöffneten Lippen gerichtet. Einige Sekunden lang dachte sie, er würde sie tatsächlich an sich ziehen und küssen. Ihr Puls raste, als sie den Atem anhielt; sein Kiefer spannte sich an, seine Augen verengten sich und sein Griff auf ihren nackten Schultern wurde ein wenig fester.

„Nun, junge Dame, müssen Sie versuchen zu schlafen.“ Sein Ton war unbeschwert, seine Stimme tief. „Sie werden sich dann viel besser fühlen.“ Er löste seine Finger, ließ seine Handflächen noch einen Moment auf ihrer Haut ruhen, dann ließ er seine Arme sinken. „Schlafen Sie gut“, sagte er, bevor er sich abrupt auf dem Absatz umdrehte und davonschritt.

Verwirrung kam plötzlich in Coral auf. War sie enttäuscht oder erleichtert, dass er sie losgelassen hatte? Sie konnte es nicht sagen, war sich nur des hitzigen Schlagens ihres Herzens und dem Chaos ihrer Gedanken bewusst. Nie zuvor hatte sie eine derart sofortige Anziehung gefühlt. Erst als sie die Kabinentür hinter sich schloss, erkannte sie, dass sie nicht einmal den Namen ihres freundlichen Samariters kannte.

Sie lag auf der Koje und schloss ihre Augen, hoffte, alle Gedanken an ihn davonwischen zu können. Aber es half nichts – er war dort, in Lebensgröße. Bilder von ihm krochen durch ihre Gedanken, seine kräftigen, gebräunten Hände, die über ihren Körper strichen, diese starken Arme, die sie an ihn pressten, sein voller Mund, der sie leidenschaftlich küsste. Wurde sie wahnsinnig? Sie wusste nichts über diesen Mann, weder seinen Namen noch seine Herkunft. Trotzdem lief ein Schauder über ihren Rücken, als sie daran dachte, wie er sie einen Moment lang berührt und sie die Wärme seiner Handflächen auf ihrer Haut gespürt hatte. Ihre weiblichen Sinne sagten ihr, dass dies ein Liebhaber war, dessen Liebkosungen – einmal erfahren – man nie wieder vergessen würde. Ihr Instinkt riet ihr, zu flüchten und sich zu verstecken, während die Logik ihr sagte, dass sie sich wie ein alberner Teenager verhielt, dass er wahrscheinlich verheiratet war, ein halbes Dutzend Kinder hatte und sich ihre Wege nie wieder kreuzen würden.

* * *

Coral schrak aus dem Schlaf hoch. Jemand klopfte an ihre Tür – kurze, scharfe, wiederholte Schläge. Als sie zur Tür taumelte und sie öffnete, begriff sie, dass sie eingeschlafen sein musste.

Ein junger Mann mit strahlendem Lächeln sah ihr direkt in die verschlafenen Augen. „Miss Coral Sinclair?“

„Ja, das bin ich“, sagte sie etwas verunsichert.

„Ausgezeichnet! Robin Danvers, zu Ihren Diensten. Ich bin der Manager von Mpingo und hier, um Sie willkommen zu heißen und Sie nach Hause zu fahren.“

„Wie spät ist es?“ Coral fuhr mit ihren Fingern durch ihr unordentliches Haar. Er grinste. „Es ist elf Uhr.“

„Ich muss eingeschlafen sein“, murmelte sie. „Verzeihen Sie mir, ich bin noch nicht ganz fertig.“

„Keine Eile. Wenn Sie mir Ihren Pass geben würden, werde ich mich um Ihr Gepäck kümmern.“

Der Anwalt, der den Nachlass ihres Vaters verwaltete, hatte in seinem Brief erwähnt, dass Robin Danvers, der Manager von Mpingo, sie vom Schiff abholen würde. Irgendwie hatte sie sich einen älteren Mann vorgestellt. In ein weißes, kurzärmeliges Safarihemd und dunkle Hosen gekleidet, sah er sehr gepflegt und nicht unattraktiv aus.

„Bitte“, sagte sie, als sie ihren Pass aus ihrer Tasche holte und dem jungen Mann überreichte. „Ich werde fertig sein, wenn Sie zurückkommen.“

„Sind dies Ihre?“ Er wies auf zwei aufeinandergestapelte Koffer.

Sie lächelte leicht verlegen. „Sie sind leider recht groß.“

„Das macht nichts. Ich habe den Zollbeamten mitgebracht, damit er Ihr Gepäck abfertigt. Dann werde ich es mitnehmen und mich um alle anderen Formalitäten kümmern. Lassen Sie sich Zeit. In Afrika haben wir ein langsameres Tempo“, fügte er fröhlich hinzu. „Die Herausforderungen des hiesigen täglichen Lebens haben den Kenianern beigebracht, jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt und für den Moment zu leben. Sie werden sich rasch daran gewöhnen. Es ist eine sehr weise und ansteckende Philosophie – wir nennen es pole-pole, also übersetzt langsam-langsam.“

Er verließ sie, und Coral hatte die Möglichkeit, ihre Gedanken zu sammeln. Nachdem sie sich von ihrem fahrenden Ritter verabschiedet hatte, hatte sie sich auf der Couch ausgestreckt, ihre Augen geschlossen und ihre Gedanken schweifen lassen. Das Letzte, an das sie sich erinnerte, war ihr Versuch, sich eine alternative Entwicklung der Geschehnisse vorzustellen, wenn die Umstände anders gewesen wären – wenn er sie geküsst hätte, anstatt sie so hastig an ihrer Kabinentür stehen zu lassen. Wahrscheinlich war sie in dem Moment in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen. Sie fühlte sich dadurch weitaus besser: ausgeruht und enthusiastisch. Er hatte gesagt, dass sie sich so fühlen würde, und dieser Gedanke ließ sie lächeln. Coral fragte sich, ob sie ihn wiedersehen würde und entschied, dass sie nach ihm Ausschau halten würde, wenn auch natürlich nur, um ihm für seine Freundlichkeit zu danken.

Coral trug nur ein wenig durchsichtigen Lipgloss auf und kniff sich in die Wangen, um sie rosiger zu machen, dankbar dafür, dass ihr Aussehen kein künstliches Make-up erforderte. Ihr Spiegel reflektierte Augen in einem strahlenden Kornblumenblau. Da sie für die Fahrt praktische Reisekleidung brauchte, hatte sie sich umgezogen und trug nun weiße, ausgestellte Hüfthosen, die ihre langen, wohlgeformten Beine betonten. Das blau-weiß gestreifte Männerhemd, dessen Enden an ihrer Taille zu einem großen Knoten gebunden waren, verstärkte die goldene Bräune, die sie beim Sonnenbaden an Deck erlangt hatte und hob ihre schlanke Figur hervor. Sie hatte ihre Haare gerade zu einem französischen Zopf geflochten, als Robin Danvers zurückkehrte, um sie abzuholen.

Coral stand an Deck am oberen Ende der Gangway, von der Spiegelung des leuchtenden Lichts überwältigt. Die späte Morgensonne breitete ihren Fächer aus Feuer über die schimmernde See aus. Die Backofenhitze war ihr plötzlich sehr vertraut und nicht unangenehm. Hier und dort brachen fliegende Fische in einem funkelnden Strahl aus dem Wasser hervor. Wohlriechende Aromen beherrschten die Luft. Es kam nun alles zu ihr zurück: die Mischung aus Teer, Meer, Seilen, modrigem Holz, Gewürzen und getrockneten Fischen, die über jedem Hafen hing, die Coral aber in Gedanken mit Kenia und ihrer Kindheit verband.

Nach der Ruhe ihrer Kabine war das lärmende Gewimmel, das den Hafen erfüllte, geradezu körperlich spürbar. Die schmetternden Sirenen der Frachtboote, die exotische Waren mit sich führten, wechselten sich mit dem schrillen Pfeifen der ächzenden Schlepper ab, die ihre Holzflöße zogen. Ab und zu wurden sie von dem Getöse des schweren Feuerholzes übertönt, das beim Laden in die Schiffsräume krachte. Aber es war das ständige Knarren und Knirschen der dicken Hafenketten, das ihre bereits gereizten Nerven angriff.

Unten auf dem Kai formte sich ein ganz eigenes Chaos aus der farbenfrohen, gemischten Menge aus afrikanischen Ureinwohnern, Fremden, Tieren und Autos. Kenianische Männer und Frauen plauderten, lachten, riefen und rempelten sich an. Manche hievten Säcke und Kisten auf Lastwagen, die nach Mombasa und in die Hauptstadt Nairobi fahren würden, andere scharten sich um Essensstände, handelten lautstark mit Verkäufern. Kinder flitzten durch ein Meer an Beinen, während Hupen ertönten, Ziegen meckerten und Hühner in alle Richtungen aufflogen.

Es waren zu viele Jahre vergangen, seit Coral sich in einer solchen Szenerie befunden hatte, und nach der friedlichen Einsamkeit des Schiffes war es auf unerwartete Weise alles zu viel. Sie zögerte einen Moment und sah sich nach Robert Danvers um, hoffte, dass er ihr den Mut geben würde, dieser einschüchternden neuen Welt entgegenzutreten, aber der junge Manager war nirgends zu sehen. Von plötzlicher Panik überkommen war sie drauf und dran, in die Sicherheit ihrer Kabine zurückzukehren, als eine feste Hand ihren Arm ergriff.

„Ihr Begleiter ist nicht weit hinter Ihnen“, sagte eine tiefe, beruhigende Stimme, die sie sofort erkannte. „Er wurde aufgehalten. Wir stehen im Weg. Kommen Sie, gehen wir gemeinsam hinunter. Er wird Sie zweifellos am Pier treffen.“ Es war kein Vorschlag, sondern ein Befehl. Sein Griff gab ihr keine Möglichkeit, als sich die wacklige Gangway hinunterführen und durch das Gewühl zu einem etwa zwanzig Meter entfernt parkenden, vage bekannt wirkenden dunkelgrünen Buick schieben zu lassen.

Sie hatten das Auto fast erreicht, als Robin Danvers sich leicht außer Atem zu ihnen gesellte. „Verzeihen Sie mir, Miss Sinclair, wenn ich Sie warten ließ“, keuchte er. „Ich wurde von einem Zollbeamten aufgehalten.“

„Das ist in Ordnung, Robin“, erwiderte sie geistesabwesend, immer noch aufgewühlt. „Dieser Herr hat sich sehr freundlich meiner angenommen. Übrigens“, fügte Coral hinzu, während sie sich an ihren Retter wandte, „ich weiß nicht einmal …“

Aber er war bereits in der bunt zusammengewürfelten Menge verschwunden. „Vor einem Moment war er noch hier“, sagte sie, unfähig, ihre Irritation zu verbergen. „Ich würde mir keine Sorgen machen“, sagte der junge Manager scharf. „Er war sicher in Eile, seine Familie zu finden.“

Coral zuckte gleichgültig mit den Schultern, blieb aber verwirrt und fühlte sich, als ob sie etwas übersehen hatte. Woher hatte der Fremde gewusst, wohin er sie führen sollte? Sie erreichten das Auto, und ein kenianischer Chauffeur erschien umgehend, um ihr die Tür aufzuhalten. „Karibu. Willkommen, Miss Coral“, sagte er lächelnd. Seine forschenden, freundlichen Augen erinnerten sie daran, wie instinktiv herzlich die Kenianer waren, wie sehr sie Gastfreundlichkeit gewährten und genossen.

„Moses ist einer der zu Mpingo gehörenden Fahrer“, erklärte Robin. „Er ist loyal und arbeitet seit acht Jahren für uns. Er spricht außerdem gutes Englisch.“

„Hallo, Moses.“ Sie erwiderte das strahlende Lächeln des Fahrers.

„Ich muss Sie leider bitten, noch zehn weitere Minuten zu warten“, entschuldigte sich der Manager. „Es müssen noch einige Formalitäten erledigt werden. Die hiesige Bürokratie ist ziemlich umfangreich. Ich hoffe, Sie werden es im Auto bequem haben. Ich schlage vor, dass Sie die Sonnenschutzblenden herunterziehen, dadurch wird es ein wenig kühler und Sie sind vor neugierigen Blicken geschützt. Mr. Sinclair ist nie dazu gekommen, eine Klimaanlage in dieses Auto einbauen zu lassen. Ihm lag nicht viel daran.“

„Sie vergessen, dass ich hier geboren wurde, mir macht die Hitze nichts aus“, versicherte sie ihm. „Außerdem werde ich es genießen, mir die Menschenmenge anzusehen. Ich bin so neugierig auf sie wie sie auf mich.“

Er lachte. „Nun gut, aber wenn Sie das Bedürfnis nach etwas Privatsphäre haben, zögern Sie nicht, Moses zu rufen. Er wird sich um Sie kümmern.“ Er wandte sich an den Fahrer und sprach auf Kisuaheli mit ihm. Es klang für Coral vertraut, auch wenn sie kein Wort verstehen konnte. Vor langer Zeit hatte sie Kisuaheli gesprochen und nun, da ihr Aufenthalt in Kenia länger dauern konnte, hoffte sie, dass sie ihre Kenntnisse durch Übung wieder auffrischen würde.

Coral kletterte auf den Rücksitz des Buick und sah aus dem Fenster, während der Manager auf die grauen Gebäude am anderen Ende des Kais zuging, neben denen langgestreckte Warenhäuser voller Säcke und Ballen standen. Im Eingang zu den Gebäuden fertigten große, schlanke afrikanische Frauen diverse Seile an.

Coral widmete ihre Aufmerksamkeit den gigantischen Kränen, deren Arme sich in der Luft drehten. Die Art, wie sie ihre seltsame Fracht hoben und senkten, erinnerte sie an Drachen mit stählernen Fangzähnen, die auf der Suche nach ihrem nächsten Opfer waren. Der Hafen florierte offensichtlich. Coral war über die Entwicklungen in Kenia auf dem Laufenden geblieben und wusste, dass, auch wenn der Präsident Jomo Kenyatta von einigen für seine zunehmend autokratische Regierung des Landes kritisiert wurde, Kenia zumindest die wirtschaftlichen Vorteile zunehmender Exporte und Hilfen aus dem Westen genoss. Die Vision eines neuen Kenia schien hier vor ihren Augen Wirklichkeit zu werden. Und dann, weiter rechts, wo der morastige Grünstreifen aus Grasland sich sanft zum Ozean neigte, sah sie eine uralte Szene. Prachtvolle, halbnackte Ebenholzathleten gingen hin und her und transportierten die schweren Lasten, die durch Ruderboote von den großen, vor der Küste ankernden Schiffen hereingebracht wurden. Manche trugen ihre Lasten auf den Schultern, andere auf dem Kopf.

Corals Blick wanderte zurück zu dem Menschenstrom, der emsig auf den Docks herumeilte. Sie prüfte dieses Durcheinander an Formen und Farben auf der Suche nach ihrem Fremden.

Plötzlich entdeckte sie ihn. Er schritt energisch auf einen luxuriösen schwarzen Cadillac Fleetwood zu, der gerade in den Hafen geglitten war. Zum ersten Mal konnte sie ihn gut aus der Ferne sehen. Ein Riese von einem Mann, in seinem tadellos geschnittenen Yves-Saint-Laurent-Anzug und seiner Sonnenbrille. Groß und elegant zugleich.

Seine Anziehungskraft verursachte Coral sogar aus der Entfernung Schmetterlinge im Bauch. Der Cadillac hielt neben ihm an und die Fondtür öffnete sich, bevor der uniformierte Chauffeur die Möglichkeit hatte, auszusteigen. Fasziniert fokussierte Coral ihren Blick, damit sie nichts verpasste, aber ihre Mühen wurden kaum belohnt. Sie hatte nur Zeit, einen Blick auf den juwelenbehängten Arm einer Frau zu erhaschen, der sich ausstreckte, um ihn in den rollenden Palast zu ziehen, der sofort wendete, um im dichten Verkehr zu verschwinden.

Robert Danvers ließ sich Zeit, und sie war der Betrachtung der Szenerie um sich müde. Coral lehnte ihren Kopf zurück, schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihre eigenen Gedanken. Ganz gleich, wie sehr sie sich bemühte, sie im Griff zu halten, sie schienen doch immer wieder zu ihrem schwer fassbaren Fremden zurückzueilen. Wer war dieser Mann? Sein Benehmen, seine befehlende Stimme, alles an ihm zeugte von Selbstbewusstsein, Macht und Erfolg.

„So, ich bin endlich fertig“, verkündete der Manager und riss Coral damit aus ihren Gedanken. „Ich hoffe, Ihnen wurde die Wartezeit nicht zu lang.“

„Ganz im Gegenteil“, teilte sie ihm mit. „Das Gewimmel in Ihrem Hafen war sehr unterhaltsam. Es scheinen so viele Dinge hier zu passieren.“

„Der Hafen von Kilindini ist zum größten und modernsten Hafen Ostafrikas geworden“, erklärte er. „Er bedient ganz Kenia und die Nachbarländer. Aber die wirklich faszinierendsten Gegenden Mombasas sind der alte Hafen und die arabische Stadt nahe des Mombasa Shooting Club. Wir können zum Mittagessen dorthin. An Samstagen bieten sie dort einen speziellen Lunch für Damen an, die sonst nicht in den Club dürfen. Nach dem Mittagessen, und wenn Sie nicht zu müde sind, können Sie sich ein wenig in den Geschäften umsehen, bevor wir uns nach Mpingo aufmachen.“

Coral nahm diesen Vorschlag enthusiastisch an. Sie hatte das Frühstück versäumt und am Abend zuvor das Abendessen kaum angerührt. Die Hitze und Schwüle schwächten sie ein wenig, und ein Mittagessen in zivilisierter Umgebung klang nach einem sehr vernünftigen Vorschlag.

Sie durchquerten die Stadt, kamen durch das opulente Viertel, in dem die weißen Siedler, die mzungus, lebten. Hier waren die Straßen von ihren Villen im Kolonialstil gesäumt, deren rote Ziegeldächer unter Kaskaden scharlachroter Bougainvillea, violetter Glyzinien und gelben Akazien begraben wurden. Graue Bürogebäude aus Beton und Touristengeschäfte unterbrachen diese farbenfrohe Siedlung gelegentlich, hier und dort standen Gruppen von Häusern im arabischen Stil, die letzten Überbleibsel der alten Harems. Bald kam das mächtige Fort Jesus in Sicht, das den alten Hafen bewachte. Sie fuhren an den rosa Mauern vorbei, bevor sie durch hohe Tore in den alten Hafen kamen. Die Sonne war mittlerweile sengend. Einige Hundert Dhaus – elegante Boote mit dreieckigen Segeln, die nach einem uralten Plan gebaut wurden – lagen apathisch am Strand.

Moses parkte das Auto auf dem Platz neben dem Old Custom House und stieg aus. Coral fühlte sich, als ob sie eine neue Welt betreten hätte. Hier war die Atmosphäre mit einem östlichen Ambiente von Magie, Faszination und Gewürzen geschwängert.

Sie gingen durch ein Gewirr gewundener, enger, unbefestigter Straßen. Auf jeder Seite standen Gruppen winziger Häuser, die wie Honigwaben zusammenklebten, und dunkler, verrauchter Geschäfte, in denen der durchdringende Geruch von Weihrauch hing.

„Hier findet der Großteil des Handels statt, ein Paradies für Käufer“, erklärte Robin, während sie an Verkäufern exotischer Parfums, Anbietern gebrauchter Perserteppiche und Händlern, die Truhen aus Sansibar zu reduzierten Preisen feilboten, vorbeikamen. Er ging voraus, suchte sich vorsichtig einen Weg durch den Schwarm gerissener Händler, Schmuggler, korrupter Polizisten und aufreizender Huren, die sich den Platz teilten. „Halten Sie Ihre Tasche gut fest“, empfahl er, als er Corals Arm nahm. „Diese Gegend ist ein Paradies für Taschendiebe.“

Sie zuckte ruhig mit den Schultern. „Das gehört alles zur Atmosphäre.“ Sie liebte die gemächliche Art, in der die Leute sich eingehüllt in glückliche Trägheit bewegten. Sie hielten von Zeit zu Zeit an, um sich zu unterhalten, zu feilschen, oder einfach die Vielfalt der vor ihnen ausgebreiteten Waren zu genießen. „Ich könnte diese dunklen Ali-Baba-Höhlen tagelang durchstöbern. Wer weiß, vielleicht stolpere ich ja über einen alten Schatz?“

„Ich hoffe, dass Sie nicht vorhaben, hier allein herzukommen. Das wäre sehr unklug“, erklärte Robin. „Diese Gegend wird von gefährlichen Banden beherrscht. Ab und zu wurden europäische Frauen angegriffen. In manchen Fällen verschwinden sie und werden nie wiedergefunden.“

Seine hastigen Worte und der eindringliche Ton irritierten Coral. „Die Leute scheinen doch harmlos zu sein.“

„Genau da liegen Sie falsch. Sie müssen wissen, dass der Sklavenhandel in einigen Teilen des Mittleren Ostens noch nicht völlig ausgerottet ist.“

„Ich werde bei meinem nächsten Ausflug daran denken“, gab sie zurück. Der Gedanke schien ziemlich abwegig, aber sie beschloss, den Frieden zu wahren und das Thema zu wechseln. Sie hörte nur halb zu, wie Robin sie über das Leben in Kenia belehrte. Sie fand ihn langweilig und bevormundend. Schade, da er so gut aussah. Welche Verschwendung! Unbewusst verglich sie ihn mit ihrem schwer fassbaren Fremden, wünschte sich, sie würde das Mittagessen mit Sir Lancelot, wie sie ihn genannt hatte, einnehmen.

Sie konzentrierte sich auf die exotische Umgebung. Inmitten des lärmenden Summens der Menge konnte sie das monotone Klopfen eines Handwerkerhammers ausmachen. Ab und zu wurde es von dem lautstarken Ruf eines Verkäufers, dem klagenden Geheul eines Bettlers, dem wiederholten Ringen einer Fahrradklingel oder sehr gelegentlich dem panischen Hupen eines Automobils übertönt.

Sie bogen in eine dunkle Straße ein, die von kleinen Häusern aus Korallenkalkstein gesäumt wurde. Es war so eng, dass die Balkone der oberen Stockwerke manchmal jene auf der anderen Seite berührten. Sie hatte irgendwo gelesen, dass diese winzigen Straßen gerade breit genug gebaut worden waren, um ein Kamel hindurchzulassen, und dass die seltsame Farbe der Häuser von den großen Ziegeln herrührte, die aus den weichen Korallen geschnitten worden waren, die vor der Benutzung trocknen mussten, um eine härtere Beschaffenheit zu erlangen. Sie dachte sich, dass es hier wahrscheinlich so ähnlich aussah wie im frühen sechzehnten Jahrhundert.

„Wir sind da“, verkündete Robin, als der Mombasa Shooting Club sichtbar wurde. Es war fast genau so, wie Coral erwartet hatte: ein Stück England, das nach Afrika verpflanzt worden war. Sie gingen eine marmorne Treppe hinauf und fanden sich in einer weitläufigen Halle mit einem Fußboden aus poliertem Teak wieder. Ein Porträit der Königin hing an einem auffälligen Platz über dem Kamin und beherrschte monarchisch den Raum. Die Möbel waren europäisch, ebenso wie die Bilder und Teppiche. Überall waberte der Geruch von Bienenwachs und erinnerte sie an zu Hause, und aus dem Restaurant erklangen englische Stimmen.

Sie saßen neben einem Fenster, das auf einen sonnendurchfluteten Garten und das dahinterliegende, funkelnde Meer blickte. „Es wird hier leider nur vernünftige, englische Küche serviert“, teilte Robin ihr mit. „Sie müssten eines der einheimischen Restaurants ausprobieren, wenn Sie etwas Abenteuerlicheres möchten.“

„Die einzige Erinnerung, die ich an kenianisches Essen habe, ist ugali“, sagte sie mit einem kleinen Lachen. „Es war ein wichtiger Bestandteil meiner Kindheit. Aluna, meine yaha, bestand darauf, mir jeden Tag eine Schüssel zu servieren. Tatsächlich mochte ich es recht gern. Es ist dem Haferbrei ziemlich ähnlich. Übrigens, wie geht es der alten Aluna? Ich nehme an, sie lebt noch auf Mpingo? Nachdem Mutter und ich gegangen sind, hat sie keinen Kontakt gehalten, obwohl ich ihr viele Briefe schrieb, besonders anfangs.“

„Aluna ist noch dort“, sagte er mit ruhiger Stimme. Er schwieg kurz, fügte dann, vielleicht ein wenig vorsichtig, hinzu: „Mr. Sinclairs Tod hat sie sehr betroffen gemacht und …“

„Und?“ hakte Coral nach, da sie spürte, dass es dem jungen Mann widerstrebte, fortzufahren.

Der Manager rutschte auf seinem Sitz herum. Ungemütliche Sekunden vergingen, während derer er überlegte und sorgfältig seine Worte wählte, bevor er antwortete. „Seit dem Tod Ihres Vaters ist die arme Aluna nicht mehr ganz sie selbst“, sagte er schließlich. „In den zwei Wochen nach seinem Ableben sprach und aß sie nicht. Die Nachricht Ihrer bevorstehenden Ankunft scheint sie aber wieder aufleben zu lassen. Es ist, als ob ihr ein neuer Lebenszweck gegeben wurde. Trotzdem bleibt sie weiterhin über lange Zeitspannen stumm, und wenn sie spricht, erzählt sie seltsame Geschichten, die auf altem Aberglauben und ihren eigenen Halluzinationen beruhen.“

„Es überrascht mich nicht, dass Aluna so tief betroffen ist. Sie ist seit so vielen Jahren bei meiner Familie. Sie war um die zwanzig, als sie nach Mpingo kam. Sie war dort, als das neue Haus gebaut wurde. Daddy brachte ihr Englisch bei.“

Sie lächelte bedauernd. Im Rückblick waren ihre Gefühle hinsichtlich dieser Zeiten gemischt. Sie erinnerte sich, dass Walter Sinclair und Aluna stundenlang im Arbeitszimmer ihres Vaters gewesen waren, einem freistehenden Außengebäude am unteren Ende des Gartens, während er ihr die Sprache Shakespeares beibrachte. Sie erinnerte sich an den Unmut ihrer Mutter und verstand diesen jetzt besser. Aluna war eine gutaussehende Frau, damals in der Blüte ihres Lebens, und Coral wusste jetzt, dass Walter dafür bekannt war, dass er Frauen gern schöne Augen machte. In Aluna hatte er eine intelligente Schülerin gefunden. Er hatte ihr Klassiker zum Lesen gegeben und sie sogar mit der Oper vertraut gemacht, die sie ziemlich ernst nahm. Sie war sogar bei der Erledigung ihrer täglichen Arbeiten durch das Haus gegangen und hatte Arien aus La Traviata geträllert. Er hatte oft gesagt, dass sie es weit gebracht hätte, wenn sie in einer anderen Gesellschaft geboren worden wäre. „Sie hat das Gehirn einer Gelehrten. Ein Pech, dass noch immer so viel Hokuspokus darin steckt – eine seltsame Mischung“, hatte er einmal gesagt. Coral fragte sich nun, ob es zwischen ihrem Vater und ihrer yaha eine unpassende Beziehung gegeben hatte. Das würde erklären, warum Angela Sinclair sich entschieden hatte, Afrika plötzlich und endgültig zu verlassen und ihre Tochter mitzunehmen.

Sie aßen schweigend. „Wie starb mein Vater?“, wagte sie schließlich zu fragen.

„Eines Tages hat sein Herz einfach aufgehört zu schlagen“, erwiderte Robin langsam.

„Er war immer so ein gesunder Mann.“

„Ihr Vater war siebzig, als er starb. Er war kein junger Mann mehr und musste in den letzten Jahren viele körperliche und seelische Belastungen durchleben.“

„Daddy war immer tatkräftig und fit“, erklärte Coral energisch. „Er sah immer jünger aus. Ich traf vor einigen Jahren jemanden, der ihn gesehen hatte und überrascht war, zu erfahren, dass er über sechzig war.“ Sie hielt inne. „Daddy liebte Afrika und sein Leben. Welche Beschwerden könnte er gehabt haben? Ich wusste nicht, dass er krank war. War das Anwesen nicht profitabel?“

Sie hörte, wie Robin scharf einatmete, aber er fand seine Fassung fast sofort wieder. „Mr. Sinclair hat ein ausgeprägtes Alkoholproblem entwickelt. Wenn sein Herz nicht aufgegeben hätte, hätte Leberzirrhose ihn innerhalb von einigen Monaten getötet. Es tut mir weh, Ihnen das sagen zu müssen, Miss Sinclair, aber in den meisten Nächten mussten Aluna und Juma, der erste Diener, ihn in sein Zimmer tragen, weil er wieder im Vollrausch war.“

Ihre Augenbrauen kamen in einem verwunderten Stirnrunzeln zusammen. „Warum? Hatte mein Vater Probleme? Liefen die Geschäfte nicht gut? Ich wusste nicht, dass er finanzielle Schwierigkeiten hatte.“

Der Manager sah beleidigt aus. „Das Anwesen läuft ausgezeichnet, das kann ich Ihnen versichern. Ich verwalte es selbst. Sie könnten sich heute Nachmittag nach unserer Rückkehr die Bücher ansehen und sich vergewissern, wenn Sie möchten. Alles ist in Ordnung.“

Coral unterdrückte eine gereizte Geste. Es ging nicht um den Manager des Anwesens, sondern um ihren Vater. „Das klingt gut“, antwortete sie knapp. Es gab eine Pause in der Unterhaltung, bevor sie wieder sprach. „Ist Daddy während einer seiner Trinkereien gestürzt? Ist er so gestorben?“

„Nein, Mr. Sinclair starb in seinem Bett, im Schlaf. Mrs. Sinclair entdeckte ihn am Morgen. Sie rief den Hausarzt an, der nach einer gründlichen Untersuchung sagte, dass er eines natürlichen und friedlichen Todes gestorben sei. Er schlief ein und wachte nicht mehr auf.“

„Sagten Sie Mrs. Sinclair?“ Coral war perplex. „Ich wusste nicht, dass mein Vater wieder geheiratet hatte!“

Robert Danvers hustete kurz. Er fand die Unterhaltung offensichtlich problematisch. „Ihr Vater heiratete die derzeitige Mrs. Sinclair, Mrs. Cybil Sinclair, vor einigen Jahren.“

„Wir wussten nichts von dieser Ehe. Daddy würde es uns doch sicher geschrieben haben? Warum würde er es vor uns verbergen? Meine Mutter und mein Vater blieben auch nach der Scheidung Freunde“, protestierte Coral. „Ja, er schrieb selten, aber was ich sagen möchte, ist, dass ihre Scheidung nicht erbittert verlief.“ Ein Schatten senkte sich über ihre Augen. „Ich nehme an, nach Mutters Heirat mit Onkel Edward fühlte er sich von uns tatsächlich entfremdet – als ob er uns für immer verloren hätte. Ich schickte ihm jedes Jahr zu Weihnachten eine aktuelle Fotografie von mir und berichtete ihm über alles Wichtige, das in meinem Leben geschehen war. Er hat es nie kommentiert, obwohl er mir eine Weihnachtskarte schickte.“ Sie grübelte einige Sekunden. „Der Brief des Anwalts erwähnte nie eine Ehefrau. Bedeutet das, dass ich nicht die einzige Erbin meines Vaters bin?“ Sie mochte nicht, wie sie klang – gierig und gefühllos. Trotzdem spürte sie, dass etwas nicht in Ordnung war und sie wollte herausfinden, was es war.

„Tim Locklear, der Anwalt Ihres Vaters, kann Ihnen die Feinheiten der Angelegenheit viel besser erklären als ich. Ich bin sicher, er wird alle Ihre Fragen beantworten.“

Es war offensichtlich, dass der Manager des Anwesens sich damit unwohl fühlte, solche Familienangelegenheiten mit ihr zu besprechen, und obwohl sie ihn nicht sehr mochte, nahm sie Rücksicht auf die Gefühle anderer. „Sie haben recht“, stimmte sie zu. „Ich verstehe Ihre Lage. Verzeihen Sie mir. Ich klinge wohl schrecklich geldgierig, aber ich war auf diese Information nicht vorbereitet. Ich werde Ihrem Rat folgen und mich in der Angelegenheit an Mr. Locklear wenden.“

Sie sprachen über andere Dinge, aber Coral fühlte sich während des restlichen Essens verwirrt und unbehaglich. Sie nahm sich vor, sich die Bücher anzusehen und Mr. Locklear so bald wie möglich aufzusuchen.

Nachdem der Kaffee serviert wurde, räusperte Robin sich. „Miss Sinclair, ich weiß, dass es mir nicht zusteht, Ihnen diese Information zu geben, aber nun, da Sie nach Kenia zurückgekehrt sind, sollten Sie sich der momentanen politischen Situation hier bewusst sein.“

Coral setzte sich aufrecht hin. Sie wusste genug über die politischen Unruhen, die Kenia seit der Unabhängigkeit 1963 durchlebt hatte, um sich dessen bewusst zu sein, dass sie sich mit diesem Thema befassen musste. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es so kurz nach ihrer Ankunft schon aufkommen würde.

„Kenia ist auf einem neuen Weg. Die Briten sind nicht mehr an der Macht, und wir müssen uns darüber bewusst sein, dass wir eine neue Regierung haben, hoffentlich eine neue Demokratie. Ich bin jung, und so kann ich erkennen, dass es offensichtlich die Zukunft ist.“ Robin zuckte mit den Schultern. „Ganz sicher sehe ich keinen Sinn darin, sich darüber aufzuregen.“

Coral rührte nachdenklich ihren Kaffee um. „Es scheint, als ob sich hier viel verändert hat, seitdem ich ein Kind war.“

„Ja und nein. Kenyatta hat sich einen Slogan ausgedacht, Harambee: ‚Lasst uns alle zusammenarbeiten‘ und die Regierung hat in diesem Sinne versucht, die Leute zu einen. Aber man darf das alte Suaheli-Sprichwort nicht vergessen: ‚Wenn zwei Elefanten miteinander rangeln, ist es das Gras, das verletzt wird!‘ Änderungen bringen Konflikte mit sich. Stammesunruhen haben in Gemeinschaften schon Opfer gefordert. Hinzu kommt, dass viele der älteren weißen Siedler sich vor der neuen Ordnung fürchten. Und natürlich hat das Attentat auf den Regierungsminister Tom Mboya im letzten Juli sie alle verunsichert. Auch einige kleine Firmen, die Indern gehören, wurden angegriffen, sodass die Eigentümer nach Großbritannien oder zum Subkontinent abgereist sind.“ Robin hielt inne und schien seine Worte sorgfältig zu wählen. „Lassen Sie mich das Folgende sagen, Miss Sinclair. Ich glaube an eine helle und aufregende Zukunft hier, aber es ist eine Zukunft für jüngere und flexiblere Menschen, die sich an das neue Kenia gewöhnen können. Die alten Methoden des Umgangs miteinander sind verschwunden, und es gibt keinen Grund, warum Mpingo sich nicht weiterhin gut entwickeln könnte – aber wir müssen vorsichtig sein.“

Coral bedachte das und nickte. „Ich verstehe. Nun, Robin, möchten Sie damit sagen, dass ich Mpingo verkaufen sollte? Ich kann Ihnen gleich sagen, dass ich nicht deshalb hier bin. Im Gegenteil, ich möchte es wieder zu meinem Zuhause machen.“

Robin lächelte erleichtert. „Ich bin glücklich, das zu hören. Trinken wir darauf“, sagte er und hob sein Glas, während sie ihr Essen beendeten und die Rechnung bezahlten.

Draußen im Sonnenschein hatten sie fast das Auto erreicht, als Coral mit einem Mann zusammenstieß, der aus einem Teppichgeschäft hinausstürmte. Es geschah zu plötzlich, um sie vorzuwarnen. Das Gefühl, das durch ihren Körper schoss und das alles in ihr zum Zittern brachte, hätte sie warnen sollen. Sie blickte auf und zuckte zusammen, während ihr Herz wild zu schlagen begann. Unbewusst war er den ganzen Morgen in ihren Gedanken gewesen, und nun war er hier. Ein seltsamer Zufall – oder vielleicht sollten sie einander wieder begegnen. Ihre Lippen teilten sich, um etwas zu sagen, aber er eilte an ihr vorbei, ohne sie zu sehen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie stand dort, für einige Sekunden wie gelähmt, ihre Augen folgten der schlanken, machtvollen Silhouette, die sich über der Menge erhob. Aber er bewegte sich rasch und war schon bald mit der Ebbe und Flut des menschlichen Flusses verschmolzen.

Kapitel 2

Der grüne Buick fuhr zwischen zwei großen schmiedeeisernen Torflügeln auf die Einfahrt des Anwesens. Langsam glitt er an blühenden Jacarandas vorbei auf das Haus zu. Sonnenbeschienene Flecken und sich bewegende violett-blaue Schatten vermischten sich fröhlich im späten Nachmittagslicht. Und hier, am Ende des überwachsenen Weges, wie in einem leuchtenden Glorienschein, stand Mpingo, das Zuhause ihrer Kindheit, umgeben von überbordender und farbiger Vegetation. Es wirkte auf romantische Weise unwirklich, unverletzbar, als ob es sich außerhalb von Zeit und Raum befand.

Zum zweiten Mal an diesem Tag musste Coral den Ansturm ihrer Gefühle niederkämpfen. Wie oft hatte sie sich in den letzten Jahren diese Rückkehr vorgestellt? Und doch war die Szenerie noch schöner als alles, was sie sich in ihren liebevollsten Vorstellungen ausgemalt hatte.

Während ihre Augen auf Mpingo ruhten, legte Coral ihre schlanke Hand auf Moses’ Schulter. „Bitte, würden Sie den Wagen anhalten?“, fragte sie mit erstickter Stimme. „Ich möchte zu Fuß zum Haus hinaufgehen.“

Sie öffnete die Autotür. Ein vage vertrauter Hauch warmer Luft mit dem Duft reifer Früchte und süßduftender Blumen begrüßte sie. Coral richtete sich auf, stand einen Moment da, nahm den überwältigenden Anblick vor sich auf. Eine Welt aus Bildern, Empfindungen und widerstreitenden Gefühlen kämpfte in ihren Gedanken. Sie ging die schattige Allee auf Mpingo zu, zuerst zurückhaltend, dann mit allmählich schnelleren Schritten, eine kleine Gestalt inmitten des Blumenmeers.

Mpingo! War es ein Heim oder ein prächtiges Gebäude, eine Herausforderung, eine Narretei oder ein Traum – die Verkörperung von Walter Sinclairs Traum? Er war, als schwarzes Schaf der Familie betrachtet, von seinem Umfeld abgelehnt worden, da er die rigiden Regeln einer Bankiersdynastie nicht beachten wollte, also hatte Walter Sinclair sich in den Dreißigern entschlossen, dem Beispiel so vieler europäischer Siedler zu folgen. Nachdem er um die Welt gereist war und durch Handel mit landwirtschaftlichen Geräten und überschüssigen Rüstungsmaterialien ein bemerkenswertes, persönliches Vermögen erwirtschaftet hatte, hatte er sich entschlossen, sich in dieser abgelegenen Ecke des Universums niederzulassen.

In jenen Tagen hieß das Anwesen Orchard Coast Estate und gehörte einem alten englischen Siedler. Er war Ende sechzig, hatte weder Erben noch Angehörige und war froh, seinem Lebenswerk durch den Verkauf an den Weißen Piraten eine neue Zukunft zu ermöglichen und nach England zurückzukehren.

Das alte Haus war ein einfaches, funktionales Gebäude mit acht Zimmern und verfügte über keinerlei bemerkenswerte architektonische Merkmale. Walter Sinclair war durch den zwanzig Kilometer langen makellosen Strand an der Grundstücksgrenze und die fünfhundert Morgen umfassende Pflanzung überzeugt worden. Auf hundert Morgen davon waren Schwarzholz-Akazien angepflanzt, der seltene und rasch verschwindende mpingo-Baum.

Mit der Hilfe von geplanten und durchgeführten Renovierungen eines unbekannten Architekten sollte Walter Sinclairs neues Mpingo zum krönenden Gipfel seiner Ambitionen werden. Der junge Abenteurer war noch keine dreißig Jahre alt, wollte aber eine solide Grundlage herstellen, um frische Wurzeln zu schlagen und für künftige Generationen ein Vermächtnis zu schaffen. Während der schwierigen Jahre der Mau-Mau-Rebellion, jenen unsicheren Zeiten, die Kenias Unabhängigkeit im Jahr 1963 vorangingen, hatte er mutig und entschlossen darum gekämpft, das Anwesen für eine neue Sinclair-Dynastie zu bewahren. Es war nicht immer einfach gewesen, insbesondere nicht mit einer Ehefrau, die Afrika verabscheute, und einem kleinen Kind.

Die Fassade des weitläufigen Gebäudes war aus Stein – in einer warmen, kräftigen Farbe, die an die Korallenriffe des Indischen Ozeans erinnerte. Dieser war von jeder der panoramaartigen Fenstertüren auf der Nordseite sichtbar. Die Räume waren in ein getöntes, strahlendes Licht getaucht. Alle Fenster hatten braune Läden, die während der Monsunmonate fest verschlossen werden konnten. Die prachtvolle geschwungene Flügeltreppe, die Wandtäfelung, die riesigen Deckenbalken und die Böden waren alle vor Ort sorgfältig aus importiertem Zedernholz gefertigt worden. Vor den Räumen im oberen Stock umgab eine überdachte Veranda das Haus, von der aus die Außengebäude zu erkennen waren. Coral erinnerte sich, wie sie als dreijähriges Kind durch die zierliche Balustrade gelugt hatte, um die Gärtner bei der Arbeit zu betrachten, und wie sie später faule Nachmittage mit ihrer Mutter dort verbracht hatte, während derer sie kalte Limonade nippten und dem Vogelgesang mit seiner Begleitung aus rauschenden Palmen und flüsterndem Meer zuhörten. Liebgewonnene Erinnerungen an Versteckspiele mit ihren Freunden erwachten, und sie lächelte. Sie hatten sie nie finden können, ihr bevorzugtes Versteck war der Gartenschuppen gewesen.

Als sie aus dem Schatten der Einfahrt trat, dachte Coral, dass Mpingo eine außerordentliche Mischung aus Fantasie und Realität darstellte. Und dennoch war es mit rein praktischen Überlegungen zum Leben in diesem herausfordernden Umfeld erbaut worden. Doch als sie es mit Erwachsenenaugen betrachtete, begriff sie, dass es auch eine pompöse Kulisse für die Eitelkeit ihres Vaters gewesen war.

Als sie sich der zweiflügeligen Eingangstür näherte, schwang diese auf, und eine Gestalt erschien auf der Schwelle. Obwohl sie noch weit weg war, glaubte Coral, sie zu erkennen. Sie ging schneller und ihre Augen wurden groß. Aluna! Sie war es! Coral begann zu rennen.

Als sie nur noch Schritte voneinander entfernt waren, lächelte die yaha und streckte ihre Arme nach ihrem früheren Schützling aus. Ihre Hände vereinten sich schweigend. Die Frau hielt Coral eine Armlänge entfernt, um sie genauer anzusehen. Dann ergriff sie Coral fest, zog sie an sich und wurde plötzlich von heftigen Tränen geschüttelt.

„Oh, Missy Coral, liebe Missy Coral“, sagte sie zwischen zwei Keuchern. „Aluna dachte, sie würde sterben, ohne ihre kleine malaika je wiederzusehen. Lass mich dich ansehen.“ Sie trat zurück und betrachtete die junge Frau, ihre Augen voller glücklicher Ungläubigkeit. „Du bist als Kind gegangen und kehrst als wunderschöne junge Frau zurück.“ Alunas Stimme bebte vor unendlicher Zärtlichkeit und Stolz.

Coral antwortete mit einem hellen, kristallklaren Lachen. „Es ist herrlich, zurück zu sein. Gerade, als ich die Auffahrt hochkam, war es, als ob die Jahre angehalten worden wären. Nichts scheint sich verändert zu haben.“ Sie hatte die Worte gerade ausgesprochen, als ihre Augen sich trübten und ihre Kehle sich zuschnürte. „Natürlich hat sich alles geändert, da Daddy nicht mehr hier ist“, brachte sie mit gebrochener Stimme hervor und kuschelte sich wieder in Alunas Umarmung.

„Weine nicht, Kleines. Du bist jetzt hier, und das ist das Wichtigste.“

Coral riss sich zusammen. Aluna hatte recht: Sie war wieder in Mpingo und nur das zählte jetzt. Als sie die Halle betrat, klapperten ihre Absätze laut auf dem glänzend polierten Boden und füllten den Raum mit misstönenden Echos. Sie sah hinauf und ihr Blick fiel auf den riesigen Kristalllüster, einer weiteren exzentrischen Extravaganz Walters. Flüchtig erinnerte sie sich an den Albtraum ihrer Kindheit. Er endete immer auf die gleiche Art: Das durchsichtige Monster krachte mit einem solch dröhnenden Knall hinunter, dass sie aus dem Schlaf schrak. Die Glastropfen bewegten sich leicht in der durch die offene Tür kommenden Brise und klimperten sanft, als ob sie über ihre beunruhigenden Gedanken lachten.

Coral sah sich um. Zu ihrer Rechten standen die polierten Zederntüren zur Bibliothek offen, und sie ging in ein Zimmer, das sie nicht einmal mehr annähernd wiedererkannte. Die tiefbraune Täfelung, die schweren ledernen Chesterfield-Sofas ihres Vaters, Erbstücke, die den ganzen Weg aus England nach Kenia gebracht worden waren, die abgetretenen Perserteppiche, die hellen Vorhänge, die an heißen Nachmittagen die Sonne abhielten – alles, was diesen Raum zu Walter Sinclairs Zufluchtsort gemacht hatte – waren verschwunden. Eine offensichtlich weibliche Hand hatte einen Zauberstab durch das Zimmer geschwungen und es völlig verändert. Die modernen Teppiche auf dem Boden, das Pastell der Wände, die zarten Farbtöne der Vorhänge und Möbelüberzüge – alles verkündete den exquisiten Geschmack einer Frau. Coral hasste es.

„Dein Vater war ein großer Mann“, sagte Aluna, „aber wie jeder Mensch hatte er seine Schwächen. Seine nannte sich Eva, die Verführerin, die Adams Ruin war. Es war schon immer so mit Bwana Walter. In meinem Volk sagen die weisen Männer, dass man mit Seilen aus Frauenhaar leicht einen Elefanten festbinden kann. Eine Frau muss ihren Ehemann mit Lächeln und Liebe und gutem Essen halten. Sonst geht er fremd. Deine Mutter war eine dieser modernen Frauen, und sie konnte einen Mann nicht so halten. Er wusste nie, wie er einer Frau widerstehen kann, und durch die Letzte hat er fast seine Seele verdammt.“

„Wie meinst du das, Aluna?“ fragte Coral, durch den düsteren Ton ihrer yaha beunruhigt.

Das Gesicht der älteren Frau wurde so verschlossen und reserviert wie ein Tonklumpen. Nur ihre Augen unter den schweren Lidern waren noch lebhaft. „Nun“, murmelte sie, „es ist eine lange Geschichte. Ich werde sie dir eines Tages erzählen, aber jetzt musst du all das vergessen und dich ausruhen.“

Sie kehrten in die große Halle zurück, die Robin gerade betreten hatte, gefolgt von Moses und zwei weiteren, in weiße Gewänder gekleidete Bedienstete, die Corals Gepäck hineinbrachten.

„Bringt Miss Sinclairs Koffer hinauf“, befahl der Manager. Dann wandte er sich an das alte Kindermädchen, sprach bestimmt, während er seine Worte mit dem entwaffnendsten Lächeln begleitete. „Aluna, würdest du die beiden hinauf in die Räume deiner Herrin begleiten? Ich muss etwas mit ihr besprechen.“

„Meine Missy ist von der langen Reise müde“, gab das Dienstmädchen missmutig zurück. „Was Sie ihr zu sagen haben, kann warten, da bin ich mir sicher.“